Von Lena Müssigmann

Tübingen - Grüne Jacke mit gelbem Streifen. Im typischen Look der baden-württembergischen Förster steht Alexander Köberle im Wald bei Tübingen und klappt eine Karte auf der Motorhaube seines Kombis aus. Grün ist der Staatswald markiert, rot der Kommunalwald, blau der Privatwald, gelb der Kirchenwald, verstreut über den ganzen Landkreis Tübingen. Ein Flickenteppich. Bisher gehört trotzdem alles zu Köberles Verantwortungsbereich. Womöglich aber nicht mehr lange.

Das Bundeskartellamt hat die Praxis der Holzvermarktung in Baden-Württemberg verboten. Demnach darf das Land künftig nicht mehr Holz aus allen Waldarten gebündelt verkaufen. Begründung: Das verzerre den Wettbewerb. Das Land geht derzeit gerichtlich gegen das Verbot vor. Die Holzvermarktung aus Staats- und Kommunalwald hat das Land bereits vorläufig getrennt. Ein größeres Problem: Die Betreuung des Waldes darf aus denselben Gründen ebenfalls nicht mehr vom staatlich finanzierten Förster geleistet werden. Nun stellt sich die Frage, wie es stattdessen weitergehen soll.

Förster Köberle deutet auf die blauen Flächen auf der Karte, den Privatwald. Von Erbgang zu Erbgang wurde der Wald geteilt. So schmal wie Fischgräten liegen die Waldparzellen der einzelnen Besitzer aneinander, im Wald zum Teil weniger als zehn Meter breit, aber 150 Meter lang. 200 000 Hektar Wald gehören in Baden-Württemberg 230 000 Besitzern, wie der Waldbesitzerverband Forstkammer Baden-Württemberg mitteilt. Wenn das Einheitsforstamt nicht mehr zuständig ist und ein Dienstleister Geld verlangt, könnten einzelne Besitzer ihre Parzellen verwahrlosen lassen, fürchtet Köberle, weil sie ohnehin kaum etwas abwürfen.

Auch bei den Städten im Land überwiegen die negativen Erwartungen, wie die Städtetagsreferentin für Forst, Stella Grießmayer, sagt. Vor allem für Bürger werde sich voraussichtlich die Unklarheit erhöhen. Wo bekomme ich mein Brennholz her? Wer repariert einen kaputten Wegweiser im Wald? Dafür habe es bisher einen Ansprechpartner beim Forstamt gegeben. Wenn der wegfalle, werde das für Verwirrung sorgen.

Viele Kommunen arbeiten nach Angaben des Gemeindetags schon an neuen Modellen zur Bewirtschaftung ihres Waldes. Sie warten aber auf eine gesetzliche Grundlage. Bestätigt das Oberlandesgericht Düsseldorf den Beschluss des Bundeskartellamts, müsste das baden-württembergische Waldgesetz angepasst werden.

Die Waldbesitzer im Land stimmen vielen Befürchtungen zu, sehen die Situation aber nicht ganz so düster. Zwischen Förstern, ihren Revieren und den Waldbesitzern seien Beziehungen gewachsen. „Die zu verlieren, ist schmerzlich“, sagt der Geschäftsführer des Waldbesitzerverbandes Forstkammer Baden-Württemberg, Jerg Hilt. Die Forstkammer ist Sprachrohr für die 240 000 nichtstaatlichen Waldbesitzer im Land. Die Veränderung berge aber auch Chancen und begünstige Innovationen. „Im Rundum-Sorglos-Paket ist man bequem geworden“, sagt Hilt. Das Land habe die Frage noch nicht beantwortet, ob es die Flächen der Kleinwaldbesitzer, jene teils Fischgräten-förmigen Waldstücke, weiter betreut. Die Sägeindustrie, die einst das Kartellverfahren angestoßen hat, begrüßt den Beschluss des Bundeskartellamts im Punkt der Holzvermarktung. Durch die Vorgaben zur Organisation des Forstes werde aber eine bewährte Struktur zerschlagen, sagt der Geschäftsführer des Verbands der Säge- und Holzindustrie Baden-Württemberg, Ludwig Jäger.

Das Kartellamt betrachte den Wald als Markt, sagt Köberle. Dass sich Förster auch um den Naturschutz und die Erhaltung der Wege für Spaziergänger und Sportler kümmere, werde vergessen.