Zwölf Meter über dem Boden: Falko Traber bei einem Auftritt im Eifelpark Gondorf im August. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Elisa Miebach

Breisach - Für Falko Traber ist alles Kopfsache. Ob er zu Fuß über ein in großer Höhe gespanntes Seil läuft oder diesen Weg auf einem Motorrad zurücklegt: „Angst spielt sich im Kopf ab, und dort sitzt auch der Schalter, den man umlegen muss, um nicht in Panik zu verfallen“, sagt der 56-Jährige aus Breisach bei Freiburg. „Wenn man ans Fallen denkt, fällt man.“ Der Hochseilartist mit den leicht gelockten grauen Haaren und dem dichten Schnurrbart steht seit mehr als 50 Jahren auf dem Drahtseil. Rund 320 Auftritte an 160 Veranstaltungstagen meistert er nach eigenen Angaben in einem Jahr.

Traber ist Teil einer überregional bekannten Artistenfamilie, die ihre Geschichte nach eigenen Angaben bis zum Jahre 1512 zurückverfolgen kann. Damals soll ein Landvogt im Elsass einem Joseph Traber die Erlaubnis erteilt haben, als Hochseilartist durch die Lande zu ziehen. „Offiziell und ohne Unterbrechungen steht unsere Familie seit 1799 auf dem Hochseil“, sagt Traber. Er und seine zwei Söhne sind mittlerweile die einzigen noch aktiven Traber-Artisten.

Jeder ist für sich verantwortlich

Der 56-Jährige ist stets ohne Sicherung unterwegs: „Das macht einen echten Künstler aus“, sagt Traber. Er ist überzeugt, dass er mit Sicherung unkonzentrierter, ein Sturz damit wahrscheinlicher wäre. „So ist man sich der Gefahr bewusst, man spürt das echte Leben und merkt, wie man am Leben hängt.“ Das lasse ihn generell bewusster leben und jeden Tag als Geschenk sehen. Auch seine Arbeit sieht er als Erfüllung und Geschenk: „Ich mach’ das nie zum Scherz und auch nicht, um etwas zu beweisen.“ An der staatlichen Artistenschule in Berlin sieht man Trabers Haltung hingegen mit gemischten Gefühlen. „In der Szene wird traditionell sehr viel ohne Sicherung gemacht“, sagt der künstlerische Leiter der Schule, Ronald Wendorf. Die Ausbildung auf dem Seil finde an der Schule aber nur mit Sicherung statt. Grundsätzlich sei jedoch jeder Künstler für sich selbst verantwortlich. „Ungesicherte Artisten setzen das Publikum natürlich mehr unter Spannung, der Nervenkitzel ist einfach höher“, sagt Wendorf.

Die Begeisterung des Publikums und der Applaus sind auch für Traber wichtige Bekräftigungen seiner Arbeit. Aber der Ruhm gebühre der Figur auf dem Seil, die er darstelle, nicht ihm selbst, sagt er. Er liebe es, das Publikum zu faszinieren. Doch was er wirklich zeigen wolle sei, wozu Menschen fähig sein können und wie man die menschliche Angst überwinden kann.

Die Arbeit ist aber nicht frei von Rückschlägen. Vor zehn Jahren stürzte Trabers Neffe, Johann Traber junior, vom Seil in die Tiefe, als ein Mast umknickte. Er wurde schwer verletzt. „Das war sehr schlimm für uns alle“, erzählt Falko Traber: „Doch aufhören konnte ich nicht, und um den Schock zu überwinden, wusste ich, ich muss sofort wieder aufs Seil.“ Zehn Jahre zuvor hatte Traber bereits den tödlichen Sturz seines Artisten-Partners Lutz Schreyer erlebt. Auch damals konnte und wollte Traber nicht ans Aufhören denken. Natürlich müsse man jede Eventualität beachten und dürfe sich nicht unnötig in Gefahr bringen. Trotzdem müsse man auf sich selbst vertrauen und positiv denken.

In 40 Ländern aufgetreten

Diese Lebenseinstellung möchte er auch an seine beiden Söhne weitergeben. Wie er selbst wurden die beiden zu ihrer Taufe mit fünf Monaten in einem Körbchen über das Seil getragen. „Für mich kam kein anderer Beruf infrage“, sagt Fernando Traber, mit 18 Jahren der jüngste aktive Spross der Trabers. Vater und Sohn standen jeweils mit fünf Jahren zum ersten Mal auf dem Seil. Falko Traber fuhr unter anderem mit dem Fahrrad von Kirchturm zu Kirchturm über den Rhein, überquerte auch die Zugspitze mit dem Fahrrad auf einem Drahtseil. Auch seine Frau heiratete er im Motorrad auf dem Seil - trotz ihrer Höhenangst. Traber sagt, das Leben und Geschäft eines Hochseilartisten habe sich mit der Zeit spürbar verändert - gerade mit dem Internet. Auf der einen Seite werde er nun auch mehr weltweit gebucht, schon in mehr als 40 Ländern sei er mittlerweile aufgetreten. Auf der anderen Seite leide manchmal der persönliche Kontakt mit dem Veranstalter. Die Faszination, die von Artistik in großer Höhe ausgehe, sei aber ungebrochen.