Stuttgart (lsw) - Die Briefwahl kann nach Ansicht von Experten den Grundsatz der geheimen Abstimmung bei Wahlen gefährden. Bei der Abstimmung per Post sei die Einhaltung einiger Wahlgrundsätze nicht möglich, sagte die Landeswahlleiterin Christiane Friedrich.

„Das ist natürlich ein Problem, und bis zu einem gewissen Grad drückt man die Augen zu“, sagte die 62-Jährige. „Aber es ist natürlich kein Geheimnis, dass bei einem Großteil der Briefwahl nicht geheim gewählt wird.“ Etwa, wenn älteren Leuten beim Ausfüllen des Stimmzettels geholfen werde.

Eine Briefwahl bedeute immer eine Abweichung vom normalen Vorgang, sagte gestern auch der Konstanzer Politikwissenschaftler Wolfgang Seibel. Eine geheime Abstimmung sei nur unter den kontrollierten Bedingungen im Wahllokal gewährleistet. „Dass es eine gewisse Gefährdung gibt, wird niemand bestreiten können“, sagte der Experte. „Aber es ist eine Abwägungsfrage: Auf der anderen Seite können so beispielsweise Menschen mit körperlicher Gebrechlichkeit an der Wahl teilnehmen. Das ist im Zweifel ein höheres Gut.“

Bei der Landtagswahl 2011 hatten sich 835 132 Menschen für die Briefwahl entschieden, wie ein Sprecher des Statistischen Landesamtes sagte. Das entspreche 16,5 Prozent der gesamten Wähler. Allein in Stuttgart hatten nach Angaben der Stadt fünf Tage vor der damaligen Wahl 62 000 Menschen die Briefwahl beantragt - 20 000 mehr als bei der vorangegangenen Wahl 2006. In Mannheim war der Zuwachs ebenfalls groß. Aus den Zahlen lassen sich Schlüsse zur Wahlbeteiligung ziehen. Diese war 2011 mit 66,2 Prozent die höchste seit 15 Jahren. Bei der Wahl 2006 war sie mit 53,4 Prozent so niedrig wie nie zuvor bei einer Landtagswahl im Südwesten.