Von Mareike Spahlinger

Stuttgart - Über 50 Experten aus Wissenschaft und Entwicklungspolitik fordern in einer Erklärung, die von der Landesregierung geplanten Studiengebühren von 1500 Euro pro Semester für Nicht-EU-Ausländer zu kippen. Die Ausnahmeregelungen greifen ihrer Meinung nach zu kurz.

„Es ist sozial unverträglich, wenn ein Bundesland, das einen Haushaltsüberschuss hat, Geld von Studierenden aus Entwicklungsländern verlangt. Unabhängig davon, ob das Geld an die Hochschule oder an den Landeshaushalt geht“, sagte Regina Birner, Leiterin des Lehrstuhls für Sozialen und institutionellen Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung an der Uni Hohenheim, gestern in Stuttgart. Dort stellte sie zusammen mit Claudia Duppel, Geschäftsführerin des Dachverbandes Entwicklungspolitik Baden-Württemberg, die Erklärung vor. Mitte Februar hatte das Kabinett den Gesetzentwurf zu Gebühren für internationale Studierende beschlossen. „Wir können künftig gezielt diejenigen unterstützen, die sonst finanziell nicht in der Lage wären, bei uns zu studieren. Mit den Gebühren stellen wir die Internationalisierung unserer Hochschulen auf finanziell langfristig tragfähige Füße“, hatte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer den Entwurf begründet. „Mit Hilfe von Stipendien und verschiedenen Ausnahmeregelungen nehmen wir insbesondere Studierende aus den entwicklungsschwachen Ländern in den Blick“, hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann ergänzt. Doch genau das bemängeln Duppel und Birner. „Die bislang vorgesehenen Ausnahmeregelungen gehen leider nicht weit genug, da sie nur einen sehr geringen Anteil der Betroffenen erfassen“, sagte Duppel. „Danach dürfen die Hochschulen nur fünf Prozent internationaler Studierender von Gebühren befreien“, ergänzte Birner. Betroffen seien aber zwei Drittel. Rund 18 000 ausländische Studierende seien aus Entwicklungsländern. Bereits jetzt seien die Bewerberzahlen um 30 Prozent zurückgegangen, erläuterte sie. Dabei sei es wichtig, den Studierenden aus Entwicklungsländern die Möglichkeit zur Bildung zu gewähren. „Damit leisten die Universitäten und Hochschulen einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen“, betonte Birner. Die Ausbildung von Fach- und Führungskräften sei ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit. „Die Gebühren stehen im Widerspruch zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, zu denen sich auch Deutschland bekannt hat“, betonte Duppel. Politisch gesehen stelle sich die Frage, ob damit die nachhaltige Entwicklung befördert oder behindert werden würde. „Hier wird eine Gruppe ins Visier genommen, die keine große Lobby hinter sich hat“, sagte Duppel. Überspitzt gesagt, werde Elitenförderung betrieben. Die Argumentation des Wissenschaftsministeriums, die allermeisten internationalen Studierenden kämen aus Ländern, in denen die Studiengebühren mindestens genauso hoch seien, wies Birner zurück. „In China gibt es zwar Gebühren von etwa 550 Euro, allerdings auch sehr weitreichende Ausnahmeregelungen.“ Man solle nicht vergessen, dass China immer noch ein Entwicklungsland sei.

Der wissenschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, Nico Weinmann, kritisierte hingegen: „Die ganze Absurdität der Hochschulgebühren für ausländische Studierende wird jetzt sichtbar. Erst werden Gebühren umständlich für bestimmte Nationalitäten erhoben, jetzt gibt es davon wieder Ausnahmen.“