Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz will aus dem Streit um Nebenabsprachen „Dramatik rausnehmen“. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Hermann Neu

Stuttgart - Der Streit um Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag lässt die Spitzen des grün-schwarzen Bündnisses zumindest vordergründig kalt. Auf Grünen-Seite findet man wie bei den Offiziellen der CDU an den Absprachen nichts Anstößiges: Er bleibe dabei, dass sie richtig gewesen seien, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gestern dem SWR. Das Land müsse um 1,8 Milliarden Euro kürzen. „Das ist der Instrumentenkasten, auf den man möglicherweise zurückgreifen muss“, sagte er - wie wortgleich Stunden später Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. Der meint auch: „Wir sind am Anfang, nicht am Ende einer Diskussion.“

Vertrauliche Vereinbarungen auf höchster Ebene sind laut Innenminister Thomas Strobl (CDU) in allen Parteien gang und gäbe. Auch in Unternehmen trage das Management ausgeklügelte Verhandlungspositionen nicht gleich auf den offenen Markt, sagte er der dpa. In der Politik sei Öffentlichkeit spätestens hergestellt, wenn Gesetzentwürfe ins Parlament kommen.

Vertraulichkeit nicht gewahrt

„Allerdings muss ich natürlich selbstkritisch sagen: Wenn man vertrauliche Absprachen macht, muss man auch schauen, dass sie vertraulich bleiben“, räumte Regierungschef Kretschmann ein. „Wenn man das nicht hinbekommt, was man jetzt sieht, dann lässt man’s besser bleiben.“ Nebenabsprachen loteten Möglichkeiten aus - ob alles so komme, könne man noch nicht sagen. Grünen-Fraktionschef Schwarz ist da voll auf Linie: Es gehe um strategische Überlegungen, denen lange Diskussionsprozesse und dann Entscheidungen folgten. Das letzte Wort habe sowieso das Parlament.

Immer wieder strapaziert auch Schwarz den Begriff „Instrumentenkasten“ für die Übereinkünfte: Es gehe bei den Themen Finanzen - etwa bei der möglichen Anhebung der Grunderwerbsteuer - wie beim Personal um einen „Arbeitsprozess“. Aus der Debatte über die eigentlich ziemlich eindeutigen Abmachungen der Koalitionäre will Schwarz „Dramatik herausnehmen“. Obwohl die Konzepte Stück für Stück ausgeplaudert wurden, sagt Schwarz: „Ich würde das auch weiterhin nicht öffentlich machen.“ Habe ein Papier den Charakter der Vertraulichkeit, dann habe er es auch „nicht als meine Aufgabe gesehen, das auf dem Marktplatz kundzutun“ - und auch nicht der ganzen Fraktion mitgeteilt.

Scheibchenweise waren immer wieder Details der Abmachungen bekannt geworden. Zuletzt am Wochenende ging es um den möglichen Personalabbau um bis zu 5000 Stellen sowie um Kürzungsbeiträge von Beamten und Kommunen.

Inzwischen hat die Koalition auch ihre Abmachungen über die Besetzung von Posten bekanntgegeben: Die Grünen haben demnach das Vorschlagsrecht für die Nachfolge des Landesbeauftragten für Datenschutz und für die neue Stelle eines Bürgerbeauftragten beim Landtag. Die CDU darf ihren Vorschlag machen, wenn der Vorsitz des Verfassungsgerichtshofs und der nächste Präsident des Landesrechnungshofs zur Entscheidung ansteht. Endgültig abstimmen wird aber der Landtag, dann genügen für die einfache Mehrheit die Stimmen von Grünen und CDU.

Auch die von verschiedenen Seiten und auch von CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart kritisierte mögliche Anhebung der Grunderwerbsteuer ist nicht vom Tisch. Die 2011 von Grün-Rot bereits von 3,5 Prozent auf fünf Prozent angehobene Steuer sei „Teil des Instrumentenkastens“, betont Schwarz.

Grunderwerbsteuer bleibt Option

„Ich schließe sie nicht aus, aber ich strebe sie auch nicht an“, sagt er. Kämen die Ressorts mit ihren Einsparbemühungen weiter, sei die Anhebung nicht nötig. Strobl positioniert sich nicht eindeutig: „Ich kenne ja niemanden, in der CDU jedenfalls niemanden, der Freude oder Interesse an Steuererhöhungen hat.“ Gelinge durch Einsparungen der Verzicht auf neue Schulden, dann seien keine Steuererhöhungen erforderlich.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sieht derweil die „grüne Strategie des Tarnens, Tricksens und Täuschens fortgesetzt“. Wer bei einem Geheimpapier mit Maßnahmen, die offensichtlich mit 1,8 Milliarden genau das von Grün-Schwarz definierte strukturelle Defizit ergeben, von einem „Instrumentenkasten“ spreche, der versuche, Öffentlichkeit und Parlament zu hintergehen. Kretschmann und Strobl hätten „genau das Drehbuch festgelegt“, was Grüne und CDU zu beschließen haben. „Beschämend“ sei, dass der Grünen-Fraktionschef „die Missachtung des Parlaments“ auch noch verteidige.