Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz: Nicht links, nicht rechts, sondern vorne. Foto: Kaier Quelle: Unbekannt

Esslingen - Der neue Chef der Grünen-Landtagsfraktion, Andreas Schwarz, hat eine steile Karriere hinter sich. Der 36-jährige Wirtschaftsjurist und bisherige Verkehrsexperte sitzt seit fünf Jahren im Landtag, seit der Wahl am 13. März mit einem im Wahlkreis Kirchheim direkt eroberten Mandat. Bereits im Alter von 20 Jahren zog Schwarz in den Gemeinderat von Kirchheim unter Teck ein, mit 27 Jahren war er dort Fraktionschef, was er später auch bei der Grünen-Fraktion im Esslinger Kreistag wurde.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann will die Grünen weiter in die Mitte des politischen Spektrums rücken. Der linke Flügel hat umgehend protestiert. Wo verorten Sie sich selbst und Ihre Partei?

Schwarz:Ich sehe meine Fraktion und auch mich selbst in der Mitte der Gesellschaft. Wir haben im Wahlkampf mit den Themen innovative Wirtschaft, gesunde Umwelt, starke Familien und offene Bürgergesellschaft viele Punkte für die Breite der Gesellschaft erfolgreich platziert. So möchte ich auch meine Fraktion weiter profilieren.

Wie sehr tragen heute noch die traditionellen Links-Rechts-Schemata? Müssen die Grünen mit ihrem emanzipatorischen Ansatz nicht automatisch links sein?

Schwarz: Einer meiner Vorgänger hat ja schon gesagt: Wir Grünen sind nicht links, wir sind nicht rechts, sondern vorne. Das war Fritz Kuhn, von dem ich viel gelernt habe und mit dem mich viel verbindet. So würde ich das heute auch sehen.

Welchen Effekt auf Ihre Partei erwarten Sie vom Bündnis mit der CDU? Einst war ja zugespitzt die Rede von der Koalition der Väter und Söhne aus den Villenvierteln.

Schwarz: Ich bin jetzt mal gedanklich durchgegangen, wo meine Abgeordneten zuhause sind und habe dabei keine Villenviertel gefunden. Grün-Schwarz wird anders sein als Grün-Rot. Es wird schwieriger sein. Gleichwohl ist die Basis der Koalitionsvertrag, in dem wir das Arbeitsprogramm der nächsten fünf Jahre hinterlegt haben.

Zum Koalitionsklima: Die CDU macht einen inhomogenen Eindruck. Der konservative Flügel ist nicht so sehr zum Zug gekommen. Was erwarten Sie: den Dauerkonflikt oder halbwegs konstruktive Arbeit?

Schwarz: Ich erwarte ein deutliches Bekenntnis zum Koalitionsvertrag. Sowohl der Parteitag der Grünen als auch der Parteitag der CDU haben den Koalitionsvertrag mit mehr als 90 Prozent Zustimmung abgesegnet. Also stehen die Parteibasis der CDU und die Parteibasis der Grünen dahinter.

Eines der ersten Konfliktthemen: Agrarminister Peter Hauk setzt auf das Freihandelsabkommen TTIP und sieht das Land als großen Profiteur. Bei den Grünen in Bund und Land herrscht eher Skepsis. Wie löst sich so ein Konflikt auf?

Schwarz: Der löst sich durch einen Blick in den Koalitionsvertrag, wo wir uns sehr klar dem Verbraucherschutz verschrieben haben und in dem wir auch sagen: Der Abbau von Handelshemmnissen kann für unsere Wirtschaft Vorteile bringen. Bei TTIP sehen wir aber auch die Gefahren, die damit verbunden sind. Der Koalitionsvertrag nimmt explizit auch auf das Eckpunkte-Papier von Baden-Württemberg Bezug, in dem kommunale Daseinsvorsorge und Verbraucherschutz besonders erwähnt werden. Darauf werden wir pochen.

Wie erklären Sie sich den Vorstoß des Ministers. Eine kleine Provokation, oder was ist geschehen?

Schwarz: Wenn ich Landwirtschaftsminister wäre, dann würde ich nicht nur für TTIP schwärmen, sondern ich würde für die regionalen Wochenmärkte schwärmen. Ich würde dafür schwärmen, dass man Fleisch, Wurst und Gemüse bei den örtlichen Metzgereien und Betrieben kaufen kann. Das wäre eher angebracht, wenn man auch die heimische Landwirtschaft unterstützen möchte.

Für wie real halten Sie die Bedrohungen wie dieses oft angeführte Chlorhühnchen?

Schwarz: Ich glaube, das ist schon eine reale Bedrohung. Da machen sich viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land Sorgen, weil sie das als Verbraucher nicht durchschauen können. Deswegen ist es gut, dass im Koalitionsvertrag dem Verbraucherschutz und der Transparenz entsprechend Gewicht eingeräumt wird.

280 Millionen Amerikaner haben Chlorhühner und gedopte Kälber bisher relativ schadlos überlebt.

Schwarz: Da sieht man schon, dass Baden-Württemberg und Deutschland eine andere Kultur haben. Bei uns nimmt die Nachfrage nach Bioprodukten stetig zu. Die Leute in Baden-Württemberg wollen gesunde Lebensmittel und Lebensmittel, die nicht gentechnisch verändert sind. Das unterscheidet uns von Kunden in Amerika.

Die neue Kultusministerin Susanne Eisenmann von der CDU hält die Übergangsquote an die Gymnasien für zu hoch. Wie positionieren Sie sich?

Schwarz: Im Schulbereich bietet die Koalition die große Chance für Konsens. Das Zwei-Säulen-Modell aus dem Gymnasium und als anderer Säule das integrative Modell aus Gemeinschaftsschulen und Realschulen findet sich so im Koalitionsvertrag wieder. Das ist schon eine gute Grundlage, viel Ruhe im Schulbereich reinzubringen und die Schulen in Ruhe arbeiten zu lassen.

Was ist mit der Klage Eisenmanns über zu viele Gymnasiasten?

Schwarz: Die Übergänge an die Gymnasien haben in den vergangenen Jahren zugenommen, das stimmt. Aber die Gemeinschaftsschulen und auch die Realschulen sind mit weiteren Stunden zur individuellen Förderung auch attraktiv für Schülerinnen und Schüler sowie für Eltern.

Für wie problematisch halten Sie die Entwicklung, dass viele Arbeitgeber fast für jeden Job einen Abiturienten wollen?

Schwarz: Wenn ich mit Vertretern des Handwerks rede, dann setzen die sehr stark auf die Gemeinschaftsschule und auf den mittleren Bildungsabschluss. Das deckt sich mit dem, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Nicht jeder muss Abitur machen. Ein guter mittlerer Bildungsabschluss für eine berufliche Ausbildung und ein dualer Abschluss, dafür stehen wir.

Die neue Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut kritisiert, dass der Breitband-Ausbau in der vergangenen Wahlperiode zu schleppend erfolgt sei. Bisher wähnten wir Baden-Württemberg immer mit an der Spitze des Fortschritts.

Schwarz: Wir haben in der letzten Wahlperiode von 2011 bis 2016 die Zahl der weißen Flecken von 700 auf 200 reduziert, wir haben die Mittel für den Breitbandausbau auf 250 Millionen Euro versechsfacht. So viel ist in Baden-Württemberg vorher noch nie passiert. Leider lief vor 2011 sehr, sehr wenig, sodass wir erst mal einiges aufholen mussten. Wir haben uns auch für die nächsten Jahre vorgenommen, bis 2018 mehr als 320 Millionen zur Verfügung zu stellen.

Grüne und CDU müssen in den nächsten Jahren kräftig Löcher im Haushalt stopfen. Zunächst gab es sogar den Vorschlag, die Grunderwerbsteuer erneut anzuheben. Was wird aus den Plänen, auf der Einnahmeseite etwas zu verbessern?

Schwarz: Solche Pläne wird man im Zug der Haushaltplanberatungen diskutieren müssen. Verbesserungen auf der Einnahmeseite erreichen wir, indem wir zusätzliches Personal in der Steuer- und der Finanzverwaltung eingestellt haben. Aber man wird sich dann auch das Thema Grunderwerbsteuer angucken müssen.

Die SPD wirft Grün-Schwarz vor, den Regierungsapparat mit zusätzlichen Staatssekretären aufzublähen.

Schwarz: Wir haben ja erst mal weniger Ministerinnen und Minister samt Entourage. Aber jemand muss die Arbeit machen. Von Aufblähung des Regierungsapparats kann in meinen Augen nicht die Rede sein. Klar ist aber auch, dass Demokratie und Politik Geld kosten.

Zur Umweltpolitik: Die Problematik mit Feinstaub und Stickoxiden hält in Ballungszentren wie Stuttgart an. Trotz angeblich modernerer Autos sind die Werte weiter gestiegen. Inzwischen weiß man, dass die Autobauer bei den Abgaswerten tricksen, VW steht dabei offenbar nicht allein. Was kann die Landesregierung tun?

Schwarz: Die Landesregierung wird sich für den weiteren Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs engagieren. Wir werden zusammen mit unseren Partnern in der Region Stuttgart und in der Landeshauptstadt an Feinstaub-Tagen ein Luftreinhalte-Ticket, also ein besonders preisgünstiges Ticket anbieten. Und wir werden uns auch, was den langfristigen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs angeht, beispielsweise über Tangential-Linien im S-Bahn-Netz engagieren. Insgesamt müssen die Alternativen zum Autoverkehr besser werden und wir werden die blaue Plakette unterstützen, dass es auch hier einen starken Anreiz gibt, mit sauberen Fahrzeugen zu fahren.

Im Wahlkampf ist das Vorhaben, die AfD auszugrenzen, gründlich danebengegangen. Wie wollen Sie den Rechtspopulisten im Parlament begegnen?

Schwarz: Wir begegnen der AfD im Landtag korrekt. Aber inhaltlich werden wie sie stellen. Dass die AfD im Programmentwurf die Arbeitslosenversicherung und die Unfallversicherung abschaffen möchte, ist ein Schlag in den Bauch vieler kleiner Leute.

Wie können Sie auf Wähler der AfD zugehen?

Schwarz: Man muss sich gut anschauen, aus welchen Gründen Menschen die AfD gewählt haben. Viele haben AfD gewählt, weil sie die Sorge haben, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt werden. Da muss man den direkten Kontakt suchen und zu den Leuten in die Wohnbezirke gehen.

Das Gespräch führte Hermann Neu