Neben den Esslinger Gewächsen lockt auch die herrliche Aussicht zur Wanderung zwischen den Weinreben. Fotos: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Carolin Sokele

Schon um kurz vor elf Uhr herrscht dichtes Gedränge um die Frauenkirche. Mit Rucksäcken, Sonnenbrillen und teilweise festem Schuhwerk machen sich schon die ersten Gruppen auf zum Esslinger Weinwandertag. Den ersten gepflasterten Hang erklommen, taucht schon der erste Probierstand der Esslinger Weingärtner auf. Esecco, weißer Burgunder oder Trollinger mit Lemberger laden schon hier zu einem ersten Päuschen ein. „Wir sind um kurz nach 10 Uhr in Nellingen losgefahren“, erzählt Irene Werner, die gemeinsam mit ihren Freundinnen Ingrid Daubner und Heidi Schmitz gekommen ist. Sie wollen die ganze Strecke laufen und haben dafür zwei Pausen eingeplant. „Noch schaffen wir es“, sagt die 72-jährige Ingrid Daubner. Zwar haben die drei Freundinnen geplant gegen 13 Uhr in Mettingen zu sein , aber sollte es länger dauern, wäre das auch kein Problem. „Wir haben alle Zeit der Welt“, so Werner.

An der ersten Station haben sich die Frauen mit Rosé und Weißwein versorgt, aber auch leckere Lachsbrötchen und frische Butterbrezeln laden zum Verweilen ein. Um die Verkaufsstände drängen sich schon jetzt die Massen. Winzer Benjamin Meyer und sein Team sind darauf eingestellt. Rund 1000 Flaschen haben sie an diesem Stand gelagert, um der großen Nachfrage gerecht zu werden.

Wann kommt der weiße Burgunder? Was ist mit den oberen Dixiklos? Wie viele Esecco-Flaschen noch? Kurz brauchen alle von Meyer eine schnelle Antwort. Gelassen dirigiert der Wengerter sein Team: „ Ich bin heute ein bisschen Springer für alles“, so der 31-Jährige. Nur langsam schiebt sich der Pulk derweil voran, vorbei an den ersten Bierbankgarnituren und Stehtischen, die idyllisch mitten zwischen Weinreben aufgebaut sind. Zwischen den insgesamt sechs Probierständen entzerrt sich das Gedränge. Viele der Weinwanderer lassen sich Zeit, genießen den Ausblick über Esslingen und die Steilhänge der Weinberge.

Unter die Besucher mischen sich auch viele englischsprachige Wanderer, wie etwa Tony Muzereus, der mit Freunden unterwegs ist. Der Ingenieur, der ursprünglich aus Chicago kommt, aber schon seit rund fünf Jahren in Stuttgart lebt und arbeitet, ist schon zum dritten Mal beim Weinwandertag. Wein, traumhaftes Wetter und die wunderschöne Aussicht, das sei es, was ihm besonders gefalle.

Kniffliger Abstieg

Zwischendurch schlängelt sich die Route durch schmale Treppenstufen auf einen Weg tiefer. Auf den Stäffele sind die Wanderer nun ganz und gar von den Weinreben umgeben. Die warmen Temperaturen und der knifflige Abstieg treibt ihnen Schweißperlen auf die Stirn. Genau das gehört für den zweiten Vorsitzenden der Esslinger Weingärtner, Andreas Rapp, zum Weinwandern dazu. „Die Leute schwitzen zusammen, so wie wir das ganze Jahr über“, sagt er. 20 Arbeitsgänge an den Rebstöcken müssen die Wengerter über das Jahr verteilt vornehmen. Über eins freut sich der Weinbauer besonders: „Die Wanderer erleben, wie und wo der Wein wächst“, so Rapp. Sein Probierstand sei komplett von Trollingerstöcken umrahmt. Die einzelnen Stände sind individuell gestaltet. Um aber verschiedene Weinvarianten anzubieten, hatten sich die Wengerter vor sechs Wochen getroffen und das Konzept gemeinsam abgestimmt.

Die Wandergruppe um Michael Dunst, der früher in Esslingen studiert hat, überzeugt das Angebot immer wieder aufs Neue. „In den Weinbergen geht man sonst nicht so oft spazieren, das bietet sich einfach an.“ Besonders gefällt ihm und seinen Mitwanderern der Abschluss auf der Hocketse in Mettingen: „Wenn man den Weg bestanden hat, sind alle locker drauf, egal wie alt sie sind.“