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Stuttgart - Die Kulisse war fantastisch, die Erwartungshaltung enorm - und der VfB Stuttgart erfüllte sie zumindest vom Ergebnis her. Beim 2:1 (0:1)-Sieg gegen den gestandenen Zweitligisten FC St. Pauli durch einen späten Treffer von Kapitän Christian Gentner bekamen die Stuttgarter Fußballer gestern Abend aber einen Geschmack davon, was sie im Unterhaus erwartet und wie schwer der Weg zurück ins Oberhaus werden wird.

Von Sigor Paesler

Bundesliga? Stimmung und Kulisse waren erstklassig. Das Stadion war ausverkauft und die meisten der heimischen Anhänger waren wie angekündigt ganz in weiß gekommen. Viele von ihnen waren als Teil eines Fanmarsches von Cannstatt aus zum Stadion gekommen (siehe Bildergalerie unten).

Die Euphorie rund um die VfB-Fußballer war in den vergangenen Wochen mit jedem Tag gestiegen, die der Abstieg in die Ferne rückte. Fußballerisch wurden die Erwartungen nur in Ansätzen erfüllt. Aber das war den Fans am Ende egal: Nach den sechs Niederlagen am Ende der vergangenen Bundesliga-Saison durften sie endlich mal wieder einen Sieg bejubeln.

Die erste Zweitliga-Startaufstellung des VfB seit über 39 Jahren barg durchaus Überraschungen: Alexandru Maxim saß auf der Bank, für ihn lief der erst 18-jährige Berkay Özcan auf der Spielmacherposition auf. In der Innenverteidigung, in der Timo Baumgartl verletzt fehlte, baute Luhukay auf einen Stephen Sama neben Toni Sunjic. Der niederländische Trainer-Routinier hatte sieben Vorbereitungswochen lang Zeit gehabt, sich einen Eindruck zu machen - das war das Ergebnis davon.

Die linke offensive Außenbahn beackerte Philip Heise, der auf dieser Position nach eigener Aussage nur "im Notfall" spielen kann. Ein weiterer Beweis dafür, dass der Kader noch nicht die erhoffte Stärke hat und der Verein bis zum Schließen des Transferfensters am 31. August nachlegen muss. Nicht nur, weil es einiige verletzungsbedingte Ausfälle gab.

St. Pauli hatte anfangs mehr vom Spiel, die Stuttgarter waren in der Defensive mächtig gefordert. Und sie nahmen den erwarteten Kampf an. Doch immer, wenn der VfB im Angriff war oder eine Balleroberung geschafft hatte, ging das Publikum lautstark mit. In der 11. Minute hatte der quirlige Özcan eine gute Aktion, die zunächst beste Chance in der 22. Simon Terodde: Nach einem langen Ball von Heise stürmte der Torschützenkönig der vergangenen Zweitligasaison auf das Hamburger Gehäuse zu, scheiterte aber beim Schuss bedrängt von einem Gegenspieler an Torhüter Robin Himmelmann. Ansonsten fehlte dem Ex-Bochumer noch die Bindung zum Stuttgarter Spiel.

Dann der Schock: Heise schlug im Mittelfeld einen heftigen Fehlpass und verlor anschließend auch noch ein Laufduell mit Fafá Picault, Sunjic kam gegen Aziz Bouhaddouz zu spät, der Picaults Flanke aus vollem Lauf und volley einschoss (28.).

Die Stuttgarter stürmten fast schon in Pokalmanier nach vorne, doch Bouhaddouz hatte in den folgenden zehn Minuten zwei weitere Großchancen: Zuerst verfehlte der frühere Sandhausener das Tor mit einem Kopfball knapp, dann traf er den Pfosten. Die Zuschauer fühlten sich angesichts der Abwehrprobleme des VfB an die vergangene Saison erinnert.

In der 40. Minute lag der Ball dann im Hamburger Tor - Sama stand bei seinem feinen Kopfball jedoch klar im Abseits.

Nach der Pause ließ Luhukay den schwachen Heise draußen und brachte Maxim. Özcan überließ Maxim das Zentrum und wechselte auf die Außenposition. Maxim brachte mehr Struktur ins Stuttgarter Spiel. Seine erste gute Aktion war ein Eckstoß in der 60. Minute, den Sama an die Latte köpfte. Und seine zweite, ein feiner Sturmlauf nach einem abgeblockten St-Pauli-Angriff, den der Rumäne mit einem Schlenzer ins lange Eck zum 1:1-Ausgleich abschloss (68). Der Jubel auf den Rängen über den ersten Stuttgarter Saisontreffer war ohrenbetäubend.

Der VfB drängte nun auf den Siegtreffer, St. Pauli aber blieb gefährlich. Dann schlug der bis dahin enttäuschende Emiliano Insua vier Minuten vor dem Spielende eine Flanke und Gentner grätschte den Ball zu einem aus Stuttgarter Sicht glücklichen Schlusspunkt ins Netz. Und endlich durften die VfB-Profis mal wieder als Sieger zur Cannstatter Kurve gehen und sich ihren Applaus abholen.