Wo kann man ein Mal im Jahr einen Stadtrat in Strumpfhosen bestaunen? Nun, beim alljährlichen Marquardtfest in Plochingen. Seit längerer Zeit schlüpft Thomas Fischle beim historischen Szenenspiel in das mittelalterliche Kostüm des Ortsherrn Marquardt von Randeck, lässt sich in einer Sänfte tragen und verteilt Wecken an die Kinder. Seit 1992 ist dies sonntags der Höhepunkt des dreitägigen von dem Arbeitskreis der Plochinger Vereine (AKPV) und der Stadt veranstalteten Festes.
Ein Fest der Vereine gibt es aber - ohne den Auftritt des staufischen Gefolgsmanns - seit mehr als 40 Jahren. In diesem Jahr wurde jedoch zum ersten Mal am Freitag und am Samstag Eintritt verlangt, der Sonntag hingegen kostete nichts. „Ein Fest in dieser Größenordnung können wir finanziell nicht mehr alleine stemmen“, sagte Gert Keller, Vorsitzender des AKPV. Und die Stadt sei auch nicht auf Rosen gebettet. Die Alternative wäre, die Preise für das Essen und die Getränke zu erhöhen oder einen Gitarrenspieler statt einer hochkarätigen Band zu engagieren. Doch dann würden die Leute ausbleiben. Mit vier Euro für ein Zwei-Tages-Bändel im Vorverkauf und freiem Eintritt bis 18 Jahre seien die Preise im Vergleich zu anderen Veranstaltungen in der Region human, fand Keller. Die Rechnung ging auf. Am Freitagabend war der Marktplatz beim Auftritt der „Flippmanns“ mit rockigen Coversongs von „Deep Purple“ bis Udo Lindenberg bereits gut gefüllt. Parallel zu den „Flippmanns“ lief für Jüngere eine Session mit Hip-Hop, Rap und Breakdance.
Wasenmusik zieht
Am Samstagabend feierten rund 1000 Begeisterte eine Wasenparty mit dem „Hofbräu Regiment“. Kaum war die Band mit Pickelhauben und Gewehren einmarschiert, tanzten Jung und Alt teilweise in Dirndl und Lederhosen auf den Bierbänken. „Sogar die Helfer hinter den Tresen haben sich in Tracht geworfen“, erzählt Keller. Die Hausband des Wasenwirtes Hans-Peter Grandl zog bei ihrer Premiere auf dem Marquardtfest viele Auswärtige nach Plochingen. Die Bläser von „Clap’s Tool“ konkurrierten mit der Wasengaudi. Beim Marquardtfest soll eben für jeden Geschmack etwas geboten werden.
27 Vereine mit rund 400 fleißigen Helfern, die im Schichtdienst arbeiteten, haben sich mächtig ins Zeug gelegt und nicht nur für Speis und Trank gesorgt. Einige Flüchtlinge haben beim Spülmobil für einen Obolus kräftig mitangepackt. Auf den beiden Bühnen am Marktplatz und beim Fischbrunnen wurde am Sonntag ein abwechslungsreiches Programm aus Musik und Tanz geboten. Ein Posaunist der Stadtkapelle erschien mit Blick auf den anschließenden Auftritt im historischen Szenenspiel im hochgeschlossenen Gewand. Die Besucher suchten angesichts der hochsommerlichen Temperaturen jeden nur erdenklichen Schattenplatz auf und die Akteure schwitzten. Rund 90 Mitglieder des TV Plochingen im Alter zwischen acht und 60 Jahren riefen das Publikum fast vergebens auf, beim getanzten „Flashmob“ doch im Rhythmus gemeinsam die Arme in der Luft zu bewegen.
Zuvor hatten die Kids ihr Können mit einer Szene aus Tarzan gezeigt. Der AKPV spendierte dafür zusammen mit dem Eiscafé den jüngeren Akteuren erfrischende Kugeln. Die Eleven der Ballettgruppe der Musikschule fieberten in weißen Tutus ihrem Auftritt entgegen und zeigten Ausschnitten aus dem „Nussknacker“ von Peter Tschaikowsky. Annabel Nüssle bereitete sich im Schatten gemeinsam mit ihrer Gesangslehrerin Hella Scheerer auf den Auftritt mit dem Lied „This is Gospel“ vor.
Ab in den Neckar
An diesem Wochenende wurde jedem heiß. Peanut und Fly sowie die anderen Vierbeiner der Rettungshundestaffel der Malteser sprangen nach ihrem Auftritt in praller Sonne erst einmal in den Neckar. Zuvor waren sie über die bäuchlings auf einer Bank liegenden Kinder spaziert. Das haben die Hunde nicht nur zur Gaudi der Zuschauer gemacht, sondern den speziellen Geruch der Kids aufzunehmen, um diese später suchen zu können. Peanut mit einer Höhe von 25 Zentimetern ist übrigens der kleinste geprüfte Rettungshund in Deutschland und hat vor kurzem in Bad Boll eine vermisste Frau aufgespürt.
Beim Schminken ließen sich Mädchen am liebsten in einen Schmetterling und Jungs in einen Tiger verwandeln. Nur Amy wollte die Raupe Nimmersatt aus dem bekannten Kinderbuch sein. Einige Sprösslinge haben auch ihr Zimmer „aufgeräumt“ und so manches Spielzeug oder Buch beim Flohmarkt verkauft. Gert Keller freute über die „tolle Resonanz“ und kündigte an, dass auch nächstes Jahr wieder Eintritt verlangt wird. Hoch zufrieden zeigte sich auch die Leiterin des Kulturamtes, Susanne Martin: „Der Samstagabend war einfach top.“