Beady Belle besticht auf dem Hafenmarkt mit einem souveränen Auftritt - und holt spontan den Trompeter Mathias Eick (rechts) auf die Bühne, der vor ihr im Programm stand. Fotos: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Udo Klinner

Nach der überaus gelungenen Premiere im vergangenen Herbst waren die Zweifel an einer Fortsetzung des Esslinger Open-Air-Jazzfestivals sehr schnell ausgeräumt. Die Resonanz auf internationale Größen wie Roy Hargrove, Manu Katche oder Stefano Bollani war so überwältigend, dass sich der höchst ambitionierte Gründer des Festivals, Maximilian Merkel, umgehend entschloss, eine zweite Auflage zu wagen. Ohne sein sehr persönliches Engagement, seine vielfältigen Kontakte und seine Bereitschaft, ein solches ökonomisches Risiko einzugehen, wäre eine Veranstaltung in dieser Größenordnung wohl nicht denkbar.

So aber startete die zweite Auflage der Open-Air-Veranstaltung am Freitag bei strahlendem, spätsommerlichem Wetter auf dem Hafenmarkt. Kompakten Mainstream bot dabei das Quintett um den 32-jährigen Volker Engelberth, den Träger des diesjährigen Landesjazzpreises, der sein ursprüngliches Trio mit Arne Huber (Kontrabass) und Silvio Morger (Schlagzeug) durch Alexander Sandi Kuhn (Tenorsaxofon) und Bastian Stein (Trompete und Flügelhorn) erweitert hatte. Immer wieder versuchte das Quintett aber auch, den Mainstream-Rahmen durch eigenwillige Kompositionen von Engelberth zu sprengen. Aus dem jüngstem Projekt der Gruppe mit Namen „Jig Saw Puzzles“ stammten alle Beiträge. Insbesondere das Stück „Nocturne“, das bluesträchtig getragen erklang, erwies sich zum Einbruch der Dunkelheit als musikalisch sehr passend. Schade nur, dass die sogenannte Release-Promotion - also die Vorstellung von neuen Eigenkompositionen - immer mehr überhand nimmt. Denn ein oder zwei eingestreute Standards lösen erfahrungsgemäß nicht nur einen Aha-Effekt im Publikum aus, sondern machen oft auch deutlich, welche Fähigkeiten zur Interpretation und Improvisation ein Ensemble hat. Der berühmte Funke sprang in diesem Fall jedoch nicht wirklich über.

Trio zieht Publikum in seinen Bann

Das sollte sich beim nachfolgenden Auftritt ändern. Das europaweit hoch geschätzte polnische Trio von Marcin Wasilewski zog sofort das gut besetzte Auditorium in den Bann. Bereits seit mehr als zehn Jahren spielt der 42-Jährige mit Slawomir Kurkiewicz und Schlagzeuger Michael Miskiewicz zusammen - eine Garantie für eine bis ins kleinste Detail harmonierende Zusammenarbeit. Interessante Ideen, immer wieder wechselnde Ausdrucksformen und ein mitunter nahezu artistisch anmutender Pianist erzeugen eine Spannung, wie es nur ein Trio dieser Klasse vermag.

Marcin Wasilewski erinnert optisch an die Attitüden eines Keith Jarrett - und lebt ebenso wie dieser in seiner Musik. Die unglaubliche Präzision des Miteinanders ist natürlich auch durch die hohe Qualität der Partner gewährleistet. Kurkiewicz schlägt einen durchgehend swingenden, unüberhörbaren Kontrabass und Michael Miskiewicz bedient sein Set akzentuiert mit knochenhartem Schlag, geradezu herausfordernd zum überbordenden Fluss des Chefs. Ein Erlebnis!

Der Höhepunkt des Abends war dabei eine pianistische Referenz an Herbie Hancock und die zauberhafte Zugabe einer Version zur Titelmusik aus dem Film „Rosemary´s Baby“, von Krzysztof Komeda geschrieben. Als die „polnische Nationalhymne des Jazz“ bezeichnete der sympathisch zurückhaltende Musiker Marcin Wasilewski dieses Stück.

Unter norwegischer Flagge hingegen stand der Samstagabend. Der 37-jährige Trompeter Mathias Eick bereitete den Zuhörern zusammen mit Erlend Viken (Violine), Andreas Ulvo (Piano), Audun Erlien (Bass) und Schlagzeuger Torstein Lofthus einen Abend, der aus einer Mischung von skandinavischer und amerikanischer Atmosphäre bestand. „Midwest“ nennt er richtungsweisend sein neues Album. Darin berichtet er über sein Leben da wie dort und versucht eine musikalische Umsetzung - ausschließlich in progressivem Rock. Die Songs beginnen stets getragen, sind mit teilweise dissonant wirkenden Violinklängen durchwoben und enden schließlich in furiosem Schall. Um Missverständnisse zu vermeiden: Eick spielt eine große Trompete, hätte aber durchaus mehr von seinen jazzgerechten Ausdrucksmöglichkeiten einbringen können.

Zwischen Prosa und Poesie

Textlich zwischen Prosa und Poesie erzählte anschließend die Sängerin Beady Belle ihre Geschichten. Liebesbriefe nach New York, Erfahrungen einer Mutter mit dem Nachwuchs oder die Angst des Stieres vor dem Matador waren Themen in ihren Songs. In der Art und Weise der Darbietung ähnelte sie unverkennbar ihrer berühmten Landsmännin Rebecca Bakken - sowohl stimmlich, als auch in Mimik und Gestik. Sie gefiel mit souveräner Phrasierung und sauberer Intonation und führte ihre Begleitung punktgenau durch das Programm. Sie konnte aber auch fast ordinär, schnatternd, gackernd und nahezu schreiend ihr „On my own“ wiedergeben. Anders Aarum am Flügel wirkte dabei solistisch am überzeugendsten. Und ausgerechnet der Esslinger Wolfgang Fuhr mit hauchzartem und mit viel Vibrato ausgestattetem Tenorsaxofon brachte als Gastsolist eine Prise echten Jazzfeelings in das am Ende voll besetzte Forum am Hafenmarkt.