Ein Blick ins Esslinger Berberdorf. Hier erfuhren die EZ-Leser, was diese einfache Lebensweise für die bisher Obdachlosen bedeutet. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Vom Esslinger Berberdorf über eine Hightech-Firma in Neuhausen bis zum Whiskybrenner in Owen - die EZ-Leserrundfahrt hat in diesem Sommer einen ungewöhnlich großen Bogen gespannt. Nicht alltägliche Eindrücke und viele Informationen sammelten die Teilnehmer der beiden Fahrten ein - und viele verabschiedeten sich bei der Ankunft in Esslingen mit dem Versprechen: „Nächstes Jahr sind wir wieder dabei.“

Von Roland Kurz

Normalerweise fährt man über das Berberdorf hinweg, ohne es zu registrieren. Die EZ-Leser und -leserinnen steigen dagegen auf der Pliensaubrücke aus und hinunter zur Hüttensiedlung, in der 26 Obdachlose wohnen. Geranien am Fensterbrett schmücken die Holzhütten, in denen jeweils zwei oder drei Betten stehen. Fünf Sanitärcontainer und ein Gemeinschaftsraum mit Küche gehören dazu. Für Obdachlose, die jahrelang auf der Straße lebten, bietet dieses einfache Leben vor den Toren der Stadt genügend Sicherheit. Sie würden am liebsten hier bleiben, berichten die Betreuer Michael Blumenstock und Horst Kenschner von der Evangelischen Gesellschaft. „Eine eigene Wohnung, das trauen sie sich nicht zu“, erklärt Kenschner.

Eigentlich ist das Berberdorf als Aufnahmehaus für drei Monate gedacht, aber es werden Ausnahmen gewährt. Die Hüttenbewohner waren nicht nur wohnungslos, sie litten unter psychische Erkrankungen, haben Erfahrungen mit Alkohol, Drogen und Gefängnis gemacht. Viele Bewohner haben gesundheitliche Probleme. Kenschner spricht Klartext: „Das Leben auf der Straße frisst die Gesundheit auf.“ Ein Arzt schaut einmal in der Woche vorbei. Ehrenamtliche Mitarbeiter sind im Berberdorf gern gesehen. Sie bringen etwas Normalität in den Alltag unter der Brücke.

Filigrane Arbeit

Peter Keck, der Sprecher der Kreisverwaltung und zudem Mitorganisator der Rundfahrt, schafft während der Fahrt im Omnibus den Bezug zum umfassenden Thema Wohnungsknappheit. Es geht nicht nur um die 1400 Obdachlosen im Landkreis, es geht allgemein um bezahlbaren Wohnraum. Etwa 6000 neue Wohnungen sollten bis zum Jahr 2020 gebaut werden.

Von der Spätzlespresse zum Hightech-Sensor, so lässt sich die Geschichte der Firma Balluff in Neuhausen kompakt fassen. 1921 begann Gebhard Balluff mit einer mechanischen Werkstatt. Familiengeführt ist das Unternehmen immer noch. Doch heute stehen mehr als 3000 Mitarbeiter in Europa, Amerika und Asien für Balluffs Produkte für die industrielle Automation. Überall, wo genau dosiert, transportiert und gebremst werden muss, steuern die Sensoren, ob im Automobil- und Maschinenbau oder der Logistik und Verpackungsindustrie. „Man braucht immer mehr Sensoren, um exakt und sicher produzieren zu können“, erklärt Thomas Rebstock. Der Personalreferent erläutert auch, wie er guten Nachwuchs sichert. Neben der traditionellen Ausbildung zum Elektroniker oder Industriekaufmann setzt Balluff auf die dualen Studiengänge, etwa zum Wirtschaftsingenieur oder Informatiker.

Produktionsleiter Dieter Neubauer führt die EZ-Leser durch sein Reich, in dem noch viel manuell zusammengesetzt wird. Denn in Neuhausen werden vor allem Prototypen und Versuchsreihen hergestellt, bevor die Teile in Großserie gehen. Im Zwei-Schicht-Betrieb werden Spulen und Platinen in Gehäuse gesteckt und geklebt und Kabel verlötet - eine filigrane Arbeit, die vor allem Frauen erledigen. Die Gehäuse werden schließlich mit Gießharz gefüllt, das bei 60 Grad aushärtet. Der Sensor ist so gegen alle Erschütterungen seines Maschinendienstes gewappnet.

Mit einem „Erdbeerschlürferle“ und einem „Hägenscherry“ empfangen Melanie und Thomas Rabel die Besucher auf dem Berghof zwischen Owen und Beuren. Als schwäbischer Whiskybrenner hat sich Rabel einen Namen gemacht. Locker an den Brennkessel gelehnt oder auf dem Eichenfass hockend, führt der Chef unterhaltsam in die Brenntechnik ein. Weizen, Dinkel und Gerstenmalz aus regionaler Produktion sind die Grundstoffe für den Whisky. Zunächst muss das gemahlene Korn in heißem Wasser in süße Maische umgewandelt werden. Das geht schnell. Einige Tage gärt danach die Maische mit Hefe vor sich hin, bevor der Kessel befüllt und beheizt wird. Die heißen Dämpfe werden dann in die „Kolonne“ geleitet. Auf deren Glockenböden erklimmt das Kondensat Stufe um Stufe und gibt Wasser ab. Rein und klar mit mehr als 80 Prozent Alkohol wird das Destillat dann herunter gekühlt und später auf Trinkstärke gebracht.

Harmonie von Dinkel und Eiche

„Das Schöne am Whisky ist, dass es so viele Arten gibt“, schwärmt Rabel. In welchem Eichenfass der Whisky dann reift, ist nur ein Einflussfaktor. Das Zusammenspiel des Albdinkels mit Eiche, zuerst deutsche, dann amerikanische, begeistert Rabel selbst. Dass der Zoll immer mit im Spiel ist, erfahren die EZ-Leser im Lagerraum nebenbei auch. Wichtiger ist den meisten aber, ein kleines Mitbringsel aus dem Hofladen zu besorgen, bevor es wieder ins Neckartal geht.

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