Margarete Hirschmann schneidet zur Feier des Tages eine Geburtstagstorte an. Fotos: Ait Atmane Quelle: Unbekannt

Von Karin Ait Atmane

Dass Esslingen eine Eisbahn hat, ist einer rund 100 Jahre zurückliegenden Liebesgeschichte zu verdanken. Dass das Eisstadion seit 40 Jahren besteht, geht dagegen auf engagierte Menschen zurück, die das Projekt zu ihrem eigenen gemacht haben. Die „Eissportfamilie“ feierte am Wochenende im Vereinsheim Iglu den runden Geburtstag des Richard-Hirschmann-Eisstadions.

Als Kirsten Schüch in den 80er-Jahren den Kiosk im Eisstadion übernahm, erzählte sie ihrem Mann, dass dort alle ein bisschen verrückt seien: „Die kommen, ob sie Dienst haben oder nicht, die gucken immer wieder rein. Die haben einen Virus.“ Bald hatte sich die Kioskbetreiberin angesteckt, und als sie nach 23 Jahren Arbeit im Eisstadion in den Ruhestand ging, blieb die Verbindung bestehen, fuhr doch ihr Mann Klaus mittlerweile im Nebenjob die Eismaschine. Das tut er bis heute - zusammen mit Erich Erhart, dem Eismeister Nummer zwei. Der verschwand während der Festveranstaltung am Samstag für eine Weile, um frisches Eis für ein Eishockeyspiel zu machen, nachdem die Eiskunstläuferinnen trainiert hatten. Auch andere Familien hat der Virus erwischt, so Hannelore und Arthur Fink, die 25 Jahre lang die Gaststätte Iglu betrieben. Heute arbeitet sie ab und zu an der Kasse, während er gelegentlich Schlittschuhe schleift. Einer der Söhne ist Eishockey-Abteilungsleiter.

Verein appelliert an die Stadt

Von Anfang an sind die Familien Hirschmann und Fingerle mit dem Stadion und der Eissportgemeinschaft (ESG) verbunden. Dieter Fingerle bekam für sein mehr als 40-jähriges Engagement am Samstag die Ehrennadel des Landes überreicht (siehe nebenstehender Bericht). Und Richard G. Hirschmann und seine Frau Margarete haben zu ihrem eigenen Lebenswerk gemacht, was Richard Hirschmann Senior anstieß. Der Gründer des Radiotechnischen Werks in Esslingen hatte seine Frau Lisel beim Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen Neckar kennengelernt. Mehr als ein halbes Jahrhundert später stellte er 100 000 Mark bereit, um eine Kunsteisbahn zu bauen und zu betreiben. Die Einweihung hat der Spender selbst nicht mehr erlebt (siehe „Blick in die Geschichte“).

Leicht ist es nicht, als Verein ein Eisstadion zu tragen. Immer wieder standen und stehen große Investitionen an wie aktuell der Kauf einer neuen Eismaschine. Wäre die Esslinger Eisbahn wie viele andere eine kommunale Einrichtung, müsste das aus dem städtischen Haushalt finanziert werden. So bekomme sie trotz hoher Ausgaben und großem öffentlichen Nutzen nur die regulären Vereinszuschüsse, sagte Dieter Fingerle in seiner Festansprache und appellierte an die anwesenden Stadträte, in Zukunft vielleicht doch etwas großzügiger zu sein.

Ausgezeichnete Nachwuchsarbeit

Auch der Sportbetrieb ist mit hohen Kosten verbunden. Beim Eishockey hat sich die ESG deshalb aus dem Spitzensport verabschiedet, denn den Einkauf externer Spieler kann sie nicht finanzieren. Aus ihren Reihen gehen aber immer wieder Talente hervor, die in Auswahlteams und höherrangige Mannschaften wechseln. Beim Eiskunstlauf wurde die ESG mehrfach - zuletzt 2015 - für die beste Nachwuchsarbeit in Baden-Württemberg ausgezeichnet. Und die Teams im Eisstockschießen sind regelmäßig auf internationalen Turnieren vertreten. Die drei Disziplinen der ESG stehen für ganz unterschiedliche Menschentypen, aber „alles hat hier seine Berechtigung, und jeder hat Respekt vor dem anderen“, betonte Margarete Hirschmann. Sie unterstrich auch die große Bedeutung des Publikumslaufens, das den Sport mitfinanziert und das dem Grundgedanken Richard Hirschmanns folgt, das Interesse am Eissport zu fördern. Am Samstag war anlässlich des Stadiongeburtstags der Eintritt für alle frei.

Blick zurück in die Geschichte des Eisstadions

1973 stieß der Unternehmer Richard Hirschmann den Bau eines Eisstadions in Esslingen an. Angesichts seines nahenden 80. Geburtstags und des 50-jährigen Firmenjubiläums stellte er 100 000 Mark zur Verfügung, um den Eissport zu fördern. Gleichzeitig wurde ein Erbbaupachtvertrag mit der Stadt für das heutige Eisstadion-Gelände an der Inselstraße geschlossen. Der damalige OB Klapproth regte die Gründung eines Fördervereins an: Mit dessen Aktionen und großzügigen Sponsoren kamen 300 000 Mark als Grundkapital zusammen. Als die Bagger anrollten, um die Festwiese zur Eisfläche zu machen, war Richard Hirschmann allerdings schon verstorben, er hat auch seinen 80. Geburtstag nicht mehr erlebt.

Das Eisstadion, nach den Seiten offen und mit einer Art Zeltdach überspannt, war innerhalb von nur vier Monaten fertig gebaut und wurde vom Oberbürgermeister auf Schlittschuhen eingeweiht. Schon nach zwei Jahren waren mehr als eine halbe Million Besucher gezählt, und man erweiterte die Anlage unter anderem um Umkleideräume und ein Restaurant. 1998 musste das Dach erneuert werden, weil die Holzträger beschädigt waren. 2006 wurde darauf eine Solaranlage installiert, die bis heute Strom liefert. Weitere Investitionen wie der Bau einer Sommerstockbahn kamen hinzu.

Seit dem zehnten Todestag von Richard Hirschmann ist das Stadion nach ihm benannt. Der öffentliche Betrieb hat sich von den vielen Discos in den 80er- und 90er-Jahren stärker auf Familienlaufzeiten verlagert. Rund 100 000 Besucher kommen heute pro Saison, ein Fünftel davon sind Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Sportunterrichts oder eines Sporttages. Mit mehr als 600 Paar Schlittschuhen in der Ausleihe ist das Eisstadion auch dafür gewappnet.