Vier Weindorf-Wirtinnen springen zum 40. Jubiläum ebenfalls in den Zuber: Annette Currle, Henni Schmieg, Inge Putler und Séline Hellmonds (von links). Quelle: Unbekannt

Von Sebastian Steegmüller

Stuttgart - Abends hui, tagsüber pfui, so könnte man das Besucheraufkommen auf dem 40. Stuttgarter Weindorf zusammenfassen. Schuld ist in der vergangenen Woche das Hoch „Gerd“ gewesen, das den Sommer so richtig in die Landeshauptstadt zurückgebracht hat. Sobald die Temperaturen auf dem Markt- und Schillerplatz sowie in der Kirchstraße sinken, ist die Laubenstadt aber ein Publikumsmagnet. So auch gestern beim Traubenpressen.

25 Grad und leicht bewölkt ist nicht nur ideales Wilhelma-Wetter, auch die Wengerter und Wirte des Stuttgarter Weindorfs freuen sich über solche Vorhersagen. In der ersten Woche der 40. Auflage war dies jedoch selten der Fall. Sobald die Lauben öffneten, knallte es von oben herab. Dass man jedoch nicht zu sehr über die Hitze schimpfen sollte, wurde den Gastronomen am Sonntagnachmittag bewusst. Schlagartig öffnete der Himmel seine Pforten, es regnete in Strömen. Im Gegensatz zum zweiten Weindorf im Jahr 1978 - damals schüttete es quasi zwölf Tage am Stück - war es jedoch nur ein kurzer Schauer. Auch im vergangenen Jahr blieben die Wirte nicht von starken Regenfällen verschont. Das traditionelle Traubenpressen fiel beispielsweise gleich ganz ins Wasser. Auf den nassen Rathaustreppen war es einfach zu rutschig.

Gestern Nachmittag konnten die lokalen Politiker ohne jedes Risiko den Gang in den Zuber antreten. Zuvor wurden dem Ersten Bürgermeister Michael Föll, Bürgermeister Werner Wölfle sowie mehreren Stadträten die Füße gewaschen. Dazu legten sich die Weindorf-Wirtinnen - ausgerüstet mit einer groben Bürste, Schüsseln mit neutraler Seife und Wasser - ordentlich ins Zeug. Erst als sie grünes Licht gaben, durften die Weintrauben beherzt getreten werden. Anschließend wurde die Maische gepresst und der frischgepresste Traubensaft von den Zuschauern verkostet.

Bei angenehmen Temperaturen war gestern am frühen Abend auf dem Stuttgarter Weindorf schon wieder einiges los. Auch die Prognosen für die kommenden Tage sind aus Sicht der Wirte optimal: Hoch „Harald“ sorgt am Donnerstag und Freitag für Temperaturen knapp unter der 30-Grad-Marke und geringer Bewölkung, so Kai-Uwe Nerding, Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst. Auch am Samstag werde es mit 28 Grad deutlich angenehmer als noch eine Woche zuvor, als Hoch „Gerd“ dafür gesorgt hat, dass es in der Laubenstadt „sehr drückend gewesen ist“, so der Experte. Der Sonntag soll dann etwas unbeständiger werden, jedoch immer noch sehr angenehm sein.

Aufatmen bei den Wirten. Sie geben offen zu, durch das Hoch „Gerd“ Einbußen gehabt zu haben. „Statt Wein wurde häufig zum Sprudel gegriffen“, sagt Fritz Currle vom Dreimädelhaus. Séline Hellmonds von der Maultaschenbörse hofft, dass es jetzt vollends so schön bleibt, wie am gestrigen Dienstag. „Dann wäre es für uns optimal.“ Sollten die Vorhersagen so eintreffen, könne „man sich insgesamt nicht beschweren“, sagt Andreas Zaiß von der Zaißerei. „Regen wäre viel schlimmer. Und trotzdem hat die Hitze tagsüber unser Stammpublikum ferngehalten. Wir haben viele treue Kunden, die uns seit vielen Jahren am Nachmittag besuchen. Denen ist es bislang einfach zu heiß gewesen“, so Zaiß, dessen Laube erstmals seit der Eröffnung des Weindorfs im Jahr 1976 auf dem Schillerplatz von einer Jury mit zur schönsten gewählt worden ist. „Weil mein Onkel in Ruhestand gegangen ist und ich alleine verantwortlich bin, habe ich uns einen Tag mehr Zeit für den Aufbau gegeben.“ Das zahle sich nun aus. „Dadurch hatten meine Mitarbeiter weniger Stress, der Ablauf war geregelter.“ Dass er in der Kategorie „Traditionell“ gewonnen habe, freue ihn umso mehr. „Ich habe an den Tischen und der Deko einiges verändert.“ Auch im kommenden Jahr will Zaiß nochmals nachlegen. „Klar ist jedoch, dass ich als Wengerter bei der Inneneinrichtung auch künftig dem Thema Wein treu bleiben werde.“

Michael Schmücker ist mit seiner Laube an der Ecke zum Schlossplatz einen anderen Weg gegangen. Mit einer „neuzeitlichen Einrichtung“, so Axel Grau, Geschäftsführer des Verkehrsvereins Pro Stuttgart, habe er sich den Titel in der Kategorie „Modern“ gesichert. Im dritten Bereich heimsten die Lauben von Jörg Ebermann und Volker Krehl, die nebeneinander auf dem Marktplatz stehen, mit ihrem klassischen Stil den Doppelsieg ein. „Sie haben uns durch ihre schönen Farben überzeugt“, so Grau. Einen Sonderpreis hat Tobias Wölfle erhalten, weil er an seinem Süßwarenstand das Jubiläum so schön umgesetzt habe.

Das Weindorf hat noch bis einschließlich Sonntag, 4. September, täglich ab 11.30 Uhr geöffnet.