Mit ihren Besen kehren die Hexen der freien Narrenzunft Raidwangen beim Umzug in Wernau richtig gut. Fotos: Bulgrin
Noch mehr Fasnetsfotos gibt es in der Mediathek Quelle: Unbekannt

Von Sabine Försterling

Ein bunter Lindwurm mit Hästrägern und Musikgruppen aus ganz Süddeutschland und der Schweiz zog am Wochenende mit Getöse durch die närrischen Hochburgen im Landkreis Esslingen. Während den von der Polizei geschätzten 25 000 Zaungästen in Wernau am Samstag die Sonne lachte, heizten am kühlen Sonntag in Neuhausen die vielen Guggenmusiker den 25 000 Zuschauern ein.

„Sehen und gesehen werden“, hieß es am Samstag in Wernau. Bevor die 2000 Hästräger sowie fantasievoll verkleidete Musiker die Straßen der Innenstadt beim Umzug eroberten, flanierten die närrischen Zaungäste über die Strecke. Mit all den wilden Tieren könnte so mancher Zoo gut bestückt werden. Nicht nur dem Gorilla wurde es angesichts frühlingshafter Temperaturen in seinem Fell heiß. Auch Erdbeeren waren unterwegs. Ein Bischof ließ sich mit einem sexy Wildkätzchen sehen und Außerirdische waren gelandet.

„Hebt die Ohren zu“ - nicht umsonst warnte Ehrenzunftmeisterin Rita Zink, bevor der Schützenverein den Umzug mit einem Knall ankündigte. Nicht nur Hexen aus dem gesamten süddeutschen Raum waren angereist, bauten Pyramiden, und klauten Schuhe. Als eine schaurige Gestalt auftauchte, wich Sammy zurück. Der Sechsjährige war seinem Vater zufolge im vergangenen Jahr kurz mitgenommen worden. Doch die vielen Bonbons überzeugten seinen Sprössling von der Harmlosigkeit der Gestalten.

Frauen sollen einst Schleichingen vor Plünderung bewahrt haben. So zogen diese als Franzosenstecherinnen durch Wernau. Jedes Häs hat eine Geschichte und keine Maske gleicht der anderen. Da gab es die Windprügler, die Nebelmännle, die Tischrucker, die Korkenzieher, die Apfelschüttler, die Kirschkernspucker sowie die Reisigbären. Und die Gastgeber standen mit den Heckarutscher und den Brotlaible dem Kaleidoskop der Figuren nicht nach. Selbstredend durften auch nicht die Egelseegeister sowie die Clowns aus Neuhausen fehlen.

Es gab auch so richtig eins auf die Ohren. Gleich zwei Guggen waren aus der Schweiz angereist. Die Musiker aus Zürich schienen aus Alices Wunderland entsprungen und Rita Zink sang fröhlich „Rot, rot sind die Rosen“ mit. Auch die Schwaben konnten es so richtig krachen lassen. Aus den Hörnern des gar schaurig maskierten Dirigenten der Granada Fetza aus Deizisau sprühten Funken und aus seinem Stab stieg grüner Rauch empor. Der Akkordeonverein Wernau sorgte mit den Beachgirls und Beachboys, die mit dem Surfbrett paddelten, für gute Laune. Ein seltenes Schauspiel bot der Fanfarenzug Bad Urach, der kunterbunte Fahnen in der Luft wirbeln ließ.

„Hecka Heala, hoi, hoi, hoi”, das ruft man in Wernau. Wie wäre es aber mit „Schdaffel schnatz, Schdaffel hex“ oder „Ja verreck, die Münz isch weg“? Bei den vielfältigen Narrenrufen hatte ein Vater aus Stuttgart die Qual der Wahl. Ihm gefiel „Auf die Pauke hautse, Bauze, Bauze“ aus Neuhausen am besten.

Wenn der Wolf liebevoll sein Rotkäppchen küsst, dann steht auch die Welt in Neuhausen auf dem Kopf. Am Sonntagnachmittag hatte auch hier wie in Wernau allerlei Getier Ausgang und es wurde sogar eine Giraffe auf dem Fahrrad gesichtet. An der Flamingo-Bar qualmte es gewaltig und ein gleichnamiger Vogel im pinkfarbenen Bademantel nahm in den Schwaden verstohlen sein Elefantenmädchen in den Arm. Wer sich kein Fell übergezogen hat, hat sich mit zusätzlichen Muskeln bepackt und musste angesichts der kühlen Witterung als Kraftprotz ebenfalls nicht frieren. Tja, dem wandelnden Bierfass auf zwei Beinen wurde es sicherlich auch nicht kalt und die Banane mit Rasta-Frisur erwärmte wohl der Gedanke an die Karibik. Gabriele Bihr hat sich mit ihrer Gruppe heuer als Baby verkleidet. Vor zwei Jahren seien sie als Bienen zum Umzug gegangen, erzählte die Neuhäuserin. Das gehöre halt einfach dazu.

Am Samstag war die freie Gruppe Krumme Naht aus Neuhausen noch als Pusteblume im Umzug in Wernau mitgelaufen. Und am Sonntag ging es dann „Auf ins Bädle“. Und zwar mit einem aufblasbaren, kleinen Plastikschwimmbecken als Ballettröckchen und einem aufwendig gestalteten Kopfputz aus Poolnudeln. „We are the World“ - diesem Motto hat sich die Kinder- und Jugendhilfe Neuhausen mit einem Globus und fantasievoll gestalteten Masken angenommen. Die Frauen des TSV kamen als Glücksfeger, sprich als Kaminfeger im schwarzen Anzug und roter Perücke daher. Tja, und da gab es noch die Wagenbaugruppen. Da rockte der Saloon, so dass der Karren wackelte und anschließend grüßte Entenhausen. Übrigens, von den 64 Gruppen, die auf die Strecke gingen, stammten 28 aus Neuhausen. Die Wernauer, die ansonsten immer zu Gast waren, waren heuer in Leutkirch unterwegs.

Die heimischen Rotenhäne führten ihr legendäres Karussell, in dem so manches Mädchen herumgewirbelt wurde, mit. Doch auch Hästräger aus anderen Regionen spielten dem weiblichen Geschlecht so manchen Schabernack. Gesichter wurden bemalt, Haare zerzaust und Schuhe entführt. Rekordverdächtig war die fünf Stock hohe Pyramide der Hexen aus Jettingen. Andere knallten kunstvoll die Karbatschen und nicht nur die Gardemädchen schwangen gekonnt ihre Beine, sondern auch die gestandenen Männer der schwarzen Husaren.

Die Note Trampi aus der Schweiz hatten bereits in Wernau mit ihrer Guggenmusik eingeheizt. Die Kollegen aus Blaustein nennen sich übrigens selbst „Instromenda-Quäler“. Aber was ist das alles gegen die erste, rein weibliche Guggenmusik aus Neuhausen, den Omägenis? Ohne Mädels geht es eben nicht und die Zaungäste waren begeistert von der flotten Musik und den energiegeladenen Frauen.