Heimspiel für Bärbel Stolz: Im Neckar Forum brilliert die gebürtige Esslingerin als Prenzlschwäbin. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Gaby Weiß

Die Prenzlschwäbin ist Kult. Ihre frechen Mini-Filme auf You Tube, in denen sie hochkomisch als Öko-Yuppie-Mutti die Macken und Marotten der Exil-Schwaben im Berliner Szene-Bezirk Prenzlauer Berg überzeichnet, werden von der Netzgemeinde millionenfach angeklickt. Nachdem sie im Sommer ein Buch veröffentlicht hat, ist sie mittlerweile mit dem dazu gehörenden Comedy-Programm im Ländle auf Tour: „Isch des bio?“. Im rappelvollen Neckar Forum hatte Bärbel Stolz mit ihrer Kunstfigur, der Prenzlschwäbin, ein Heimspiel: Die Schauspielerin ist vor 38 Jahren in Esslingen geboren.

Ihr Alter Ego als Prenzlschwäbin zeigt Bärbel Stolz als Bewohnerin des Berliner In-Quartiers Prenzlauer Berg, wo sich ausnehmend viele gut verdienende Alternative „mit schwäbischem Migrationshintergrund“ wohlfühlen. Im Öko-Stadtviertel mit einer gefühlten Kinderwagendichte von drei pro Familie, wo die Kindergärten Prenzlzwerge, Kolleknirpse, Aramsamsam und Billabong heißen, wuseln kleine Mädchen schon mal mit dem Doppelnamen Xenia-Adelheid durchs Leben.

Schnitzel vom veganen Metzger

Selbstverständlich zählt auch die Prenzlschwäbin zu den überengagierten Helikopter-Müttern: Tochter Wikipedia stuft sie wegen ihres kreativen Umgangs mit Spaghetti und Tomatensauce als hochbegabt ein, während Sohn Bruno-Hugo-Luis leider nur normalbegabt ist. Zum Essen serviert die Mama glutenfreien Steckrüben-Gateau, Biomöhrchen und Schnitzel vom veganen Metzger, die Kinder gehen nachmittags zum Baby-Boxen, in den Kita-Debattier-Club und spätestens als Dreijährige zum Tuba-Unterricht. Und wenn die Reichstagskuppel aus Tofu nachgebaut und die Masern-Party bei Kevin-Aaron absolviert ist, winkt dem Nachwuchs als Belohnung ein Karamell-Fleur-de-Sel-Eis.

Spießig und kleinkariert

Bärbel Stolz gibt - durchaus selbstironisch - das Schwaben-Mädle in der Hauptstadt, das seine schwäbischen Tugenden nicht ablegen kann, das regelmäßig die Wohnung putzt, bevor die Putzfrau kommt, und gern ein bisschen spießig und kleinkariert daherkommt. Die Prenzlschwäbin ist Klugscheißer, Besserwisser und Rechthaber in Personalunion: Ob sie ungefragt Weißmehl zum Teufelszeug erklärt, Nachbarn ins Mülltrennsystem einweist oder auf dem Gehweg fahrenden Radlern die Meinung geigt - das ist gut beobachtet und sehr witzig. Vor allem im Kontrast zum Hauptstadt-Ureinwohner mit seiner Coolness, seiner Lässigkeit und seiner viel beschworenen Toleranz und Weltoffenheit, „außer gegenüber den Schwaben“, wie Bärbel Stolz trocken kommentiert.

Die geschätzten 300 000 Exilanten aus dem Ländle sind vielen Berlinern ein Dorn im Auge. Sie werden nicht nur milde belächelt, nachgeäfft und mit Hohn und Spott überzogen. Vom Schwaben-Bashing zeugen Wandmalereien, die den „Spätzle-Krieg“ oder „Totaler Schwaben-Hass“ ausrufen.

Schwäbische Komödianten aller Generationen gibt es zuhauf, gerade in der Konfrontation der Klischees und Prototypen über Schwaben und Berliner liegt der Reiz der Prenzlschwäbin. Wenn sie über die gut situierten Klischee-Schwaben im Prenzl-Kiez lästert, die zahlreichen Vorurteile über die Neu-Berliner aus Süddeutschland kommentiert und heftig schwäbelnd ihren (selbstverständlich: Bio-)Senf dazugibt, dann ergibt das jede Menge rotzfreche Sprüche, denen sie mit einem charmanten Lächeln - ganz das nette Mädle aus dem Ländle - die Schärfe nimmt.

Dreisprachige Dialoge

Bärbel Stolz konzentriert das komische Potential der Realität, feilt es zurecht und treibt es auf die Spitze. Zu Hilfe kommt der Tochter von Martin Schleker, ehemaliger WLB-Schauspieler und Theaterchef im Naturtheater Hayingen, dabei auch ihre fundierte Ausbildung an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Wie sie in ihrer Ein-Frau-Show fix kleine Szenen spielt, flugs die Rollen wechselt und mühelos dreisprachige Dialoge zwischen Prenzl-schwäbin, Berliner Polizist und der R-rollenden Kasachin Olga führt - das nötigt Respekt ab. Natürlich ist ein abendfüllendes Comedy-Programm etwas anderes als die konzentrierten dreiminütigen Video-Miniaturen im Internet. Aber Bärbel Stolz hat als ohne Punkt und Komma palavernde Öko-Mutti, die sogar einem Berliner Türsteher ein Ohr abschwatzt, das Publikum hellwach im Griff, und sie hat ihre Pappenheimer ausführlich studiert: „Sie können in aller Ruhe fertigklatschen und doch als Erster an der Garderobe sein.“