So unterschiedlich wie die Form der Blätter sind auch Aroma und Geschmack des Tees. Viele grüne Tees haben etwas Blumiges, erinnern an Maiglöckchen oder Jasmin. Fotos: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Barbara Scherer

Auf einem weißen Tablett stehen fünf weiße Becher mit leicht gezacktem Rand, davor flache weiße Schälchen. Die Becher sind befüllt mit Teeblättern unterschiedlicher Größe, Form und Farbe. Sie sind hellgrün, mit dunkler Maserung, andere sind eingerollt, andere wiederum tiefdunkelgrün und glatt. So unterschiedlich ihre äußere Form, so sehr unterscheiden sich die einzelnen Tees auch schon im Geruch, im Flavour, wie Teespezialisten sagen. Ein Hauch von Blüten steigt hier in die Nase, dort riecht man eine Wiese nach einem Sommerregen, einen dunklen Wald. Aber auch der Augenschein ist wichtig zur Beurteilung des Produkts. Ist das Blatt glatt und ebenmäßig, sprechen Teekoster von „even“, ist es „stylish“ meinen sie einen gut verarbeiteten Tee mit drahtigem Blatt, „twisted“ ist der Tee, wenn seine Blätter gut und eng gerollt sind. Very British mutet das Teeverkosten an.

In jeder Tasse befinden sich genau 2,8 Gramm Tee, die international festgelegte Menge für eine Verkostung. „Das entspricht dem Gewicht eines 1-Pence-Stücks“, erklärt Margit Grüber, die ein Teegeschäft in Esslingen führt. Zu Kolonialzeiten wurde das Geldstück in die Waage gelegt, die Inder haben diese Gewohnheit übernommen, und heute ist es in den Verkostungen längst etabliert. Margrit Grüber hat Wasser gekocht, das sprudelnde Nass gießt sie in die Teegefäße mit den fünf Proben und setzt einen Deckel auf jeden Becher. Fünf Minuten zieht der Tee. Das ist immer gleich, egal, welcher Tee probiert wird. „Nur dann entfalten sich alle Aromen im Blatt“, sagt Grüber und betont gleichzeitig: „Das ist nur die Ziehzeit bei einer Verkostung, ein Tee zum Trinken zieht im Allgemeinen kürzer.“

Nach fünf Minuten kippt Margit Grüber die gedeckelten Becher mit dem „Infusion“ genannten Aufguss nach vorne und legt sie kopfüber in die Schalen. Jetzt erschließt sich dem Betrachter der Sinn des gezackten Rands: Langsam sickert Tee zwischen Becher und Deckel in die Schale. Der Teeneuling staunt über die Abstufungen der Farben in den Schalen: Ist das nun grün oder gelb? Hellgrün, gelbgrün, grüngelb? Der jetzt von den Bechern genommene Deckel hält die aufgebrühten und aufgerollten Teeblätter. Dann wird geschnuppert, genippt, geschlürft, gegurgelt, geschmatzt, geschluckt und ja, wie beim Weinverkosten, ausgespuckt. „Wichtig ist, den Tee mit so viel Luft wie möglich in Verbindung zu bringen“, sagt Grüber und macht vor, wie man den Tee durch die Zähne zieht und ihn an den Gaumen bringt, wo er sauerstoffreich seinen Aromareichtum entfaltet. Schwarzer Tee kann würzig, karamellig, sogar schokoladig schmecken, grüne Tees haben oft etwas Blumiges, erinnern an Jasmin, Rosen oder Maiglöckchen, oder sie sind - und der Begriff ist laut Grüber gerade sehr in - vegetabil.

Tee ein Produkt wie Wein? Wer sich Produktion und Preise anschaut, erkennt Parallelen. Kleine Teegärten, handwerkliche und aufwendige Verarbeitung, geringe Mengen und eine hohe Qualität lassen Preise in die Höhe wachsen. Ein grüner japanischer Shichuan beispielsweise ist ein solches Produkt: Er gedeiht voll beschattet, das heißt, der Teegärtner bedeckt die feinen Blätter und Triebe mit Bambusmatten, um sie vor der Sonne zu schützen und so die Chlorophyll-Produktion anzutreiben. Mehr als 20 Tage lang reift ein solches Gewächs unter Matten und lässt Kenner von seiner sattgrünen Farbe und seinem außergewöhnlichen Aroma schwärmen. Der Preis: Rund 40 Euro für 100 Gramm können es schon sein.

Feinschmecker fragen auch gerne nach Flugtee, dem Primeur unter den Tees. Gerade mal drei Wochen vom Strauch gezupft, kommt diese erste Darjeeling-Ernte auf dem Luftweg nach Europa. Wer die frühen Triebe genießen will, legt auch mal 16 Euro für 100 Gramm hin.

Was aber hat es mit dem derzeit so hochgejubelten Matcha-Tee auf sich? Margit Grüber setzt auf den langsam in Steinmühlen pulverisierten Grüntee mit dem hohen Konzentrat an zellschützenden Katechinen, anregendem Tein und entspannendem L-Teanin. Bei ihr kommt der Matcha mit der traditionellen japanischen Teezeremonie in die Tasse - was für sich schon als Gesamtkunstwerk daherkommt. Vor Grüber steht ein silberner Teller, darauf verschiedene Döschen, ein Bambuslöffel und etwas, das aussieht wie ein Schneebesen aus Bambus. Die Teesommelière öffnet ein Döschen. Darinnen ein grünes Pulver, dessen Farbintensität das Hirn auf Wortfindungssuche schickt. Mit dem Bambusstäbchen wird eine kleine Menge in eine Schale, die Chawan, gegeben, 80 Grad heißes Wasser dazugegeben und das Ganze mit einem Bambusbesen, einem Chasen, zunächst verrührt und dann zackig geschlagen. Nochmals kommt Wasser dazu, abermals wird geschlagen, bis eine vielporige, schaumige Substanz entstanden ist. Zum Schluss gibt Margit Grüber noch etwas Wasser dazu, indem sie es vorsichtig am Rand der Schale einfließen lässt. „Der Japaner“, sagt sie fast entschuldigend, „gibt das Wasser mit einer Schöpfkelle dazu.“

Die Schale mit beiden Händen umfassend sagt sie „Aligado“ und reicht es ihren Besuchern. Der Geschmack der giftgrünen Brühe überrascht: Nichts gemahnt an Pulver oder etwa an Gras. Dafür fühlt sich der Matcha leicht und cremig an, mit einer sahnigen Konsistenz und einem Geschmack, der sich mit würzig-herb nur unzureichend beschreiben lässt. Tatsächlich nennen die Japaner das Aroma Umami - das ist der fünfte Geschmack nach salzig, bitter, süß und sauer, und er ist den wirklich delikaten Dingen vorbehalten.

Die Ostfriesen trinken den meisten Tee

Teekunde: Nach Wasser ist Tee das meistgetrunkene Getränk der Welt. Den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch haben aber nicht etwa die Asiaten, sondern die Ostfriesen mit 284 Liter pro Mensch und Jahr. Grundsätzlich wird zwischen drei Teeklassen unterschieden: grüner unfermentierter Tee, schwarzer fermentierter Tee und Oolong als halbfermentierter Tee. Der Name Tee hat sich aus dem südchinesischen Wort für die Pflanze entwickelt, von dort wurde der Tee verschifft. Die Länder, die ihren Tee auf dem Seeweg erhielten, übernahmen das Wort schließlich. Das Wort Chai für Tee wird von den Nationen benutzt, die ihren Tee auf dem Landweg erhielten, nämlich Russland oder die Türkei. Das Wort geht auf das nordchinesische Cha zurück.

Weisheiten: „Man trinkt Tee, damit man den Lärm der Welt vergisst“, sagte der chinesische Gelehrte Tien Yi Heng. „Die Welt hat sich in einer Teeschale gefunden“, meinte der japanische Philosoph Kakuzo Okakura. Und Tsching Nung, chinesischer Kaiser im 3. Jahrtausend vor Christus, wusste: „Tee weckt den guten Geist und die weisen Gedanken. Er erfrischt deinen Körper und beruhigt dein Gemüt, bist du niedergeschlagen, wird Tee dich ermutigen.“ Und laut einem chinesischen Sprichwort ist Tee „das Getränk der Weisen“.