Stars der Illustratoren-Szene, hier Gustavo Duarte, Stephanie Gladden und Elena Casagrande (von links), sind regelmäßig zu Gast im Comic-Paradies. Quelle: Unbekannt

Ob Lucky Luke, Micky Maus oder die Simpsons, ob Abenteuerstreifen, Fantasygeschichte oder Heftromane wie „Der Landser“, ob aktuelle Auflage, aufwendiger Reprint oder antiquarisches Sammlerstück - in der Esslinger Pliensauvorstadt gibt es alles, was des Comic- und Romanheft-Liebhabers Herz begehrt: Mit 86 500 Namen in der Kundendatei, mehr als 2000 Quadratmetern Verkaufs- und Lagerfläche und über zwei Millionen Heften und Büchern zählt Frieder Maiers Sammlerecke zu den größten Comicfachhandlungen Europas.

Seit er 1988 in einer winzigen Leihbücherei in Nürtingen begann, hat Frieder Maier sein Geschäft stets vergrößert, und als er 2011 an den jetzigen Standort in der Pliensauvorstadt umzog, wollte er einen funktionellen Laden schaffen, in dem sich jeder Comic-Liebhaber schnell zurechtfindet: Aus dem Eingangsbereich geht es direkt in die 1000 Quadratmeter große Halle. Geradeaus finden sich als Neuware alle lieferbaren deutschen und fast alle amerikanischen Comics. Zentral auf einem langen Tisch sind alle Neuheiten des laufenden Monats versammelt. Voll im Trend liegen derzeit Batman, Spiderman und X-Men, die den Weg aus den bunten Sprechblasen-Geschichten ins Kino gefunden haben. Linkerhand befindet sich das Antiquariat mit der deutschlandweit größten Auswahl an Comics und Romanheften, die bei den Verlagen längst nicht mehr lieferbar sind.

In den Regalen herrscht Ordnung, alles ist alphabetisch nach Titeln, Datum und Heftnummer sortiert. „Innerhalb von 20 Sekunden haben wir jedes Heft unseres Bestandes gefunden“, verspricht Frieder Maier. Ans Antiquariat schließt sich der Second-Hand-Bereich an: „Hier kommt alles bunt gemischt hinein, olle Kamellen genauso wie tolle Titel, was Verlage mit Macken liefern und was wir nicht sortieren möchten“, erläutert der 51-Jährige den Flohmarktbereich, der vor allem Schatzgräber lockt. Die Preisgestaltung ist hier denkbar einfach: Auf der großen Fleischer-Waage wird abgewogen, und das Kilo Heft oder Buch geht für zehn Euro über die Theke.

Logistik und Leidenschaft

Das Esslinger Comic- und Romanfachgeschäft ist ein paradiesischer Treffpunkt für Fans und Sammler, die oft von weither anreisen. Das Publikum ist bunt gemischt, „von ganz normal bis ultraschräg“ sagt Frieder Maier: „Frauen interessieren sich eher für japanische Mangas, die halbwüchsigen Jungs für Superhelden. Die Alben sind etwas für die Über-Vierzigjährigen, und das Antiquariat lockt Senioren, die ihre Jugend wiederentdecken.“ Seit vielen Jahren Stammkunde ist der 80-jährige Richard Storm, der selbst etwa 28 000 Science-Fiction-Werke besitzt. Dabei begeistern den Grafikdesigner nicht nur die zeichnerische Umsetzung, sondern auch die Inhalte der fantastischen Literatur: „Ich liebe das Neue und den Blick in die Zukunft. Das hält einen jung.“ Mit seinen fünf Enkelkindern hat er nach dem Ende von „Star Wars VI“ zündende Einfälle für eine Fortsetzung entwickelt: „Und zwar Ideen, die nicht nur aus den alten Gedanken schöpfen, sie ein bisschen aufpäppeln und mit Action garnieren. Sondern solche mit neuen Impulsen, einem Erzbösewicht und einem Paralleluniversum.“

Wer in der Sammlerecke Hilfe braucht, findet jede Menge sachkundige Mitarbeiter: Der eine ist auf „Fix & Foxi“ spezialisiert, der andere ist für Komplettserien zuständig, der dritte ist Experte für Neuerscheinungen und franko-belgische Comics, zwei Kollegen kümmern sich um Superhelden und Mangas. Die Tendenz geht weg vom Einzelheft hin zu aufwendig gestalteten gebundenen Ausgaben: „Da gibt es dann vier Alben in einem Band, mit Hintergrundinformationen und einem reich bebilderten redaktionellen Teil“, beobachtet Frieder Maier. „Wobei ein echter Fan meistens dreimal kauft: Erst aktuell als Heft, dann als Sammelband und später noch als Schmuckausgabe.“

Maier, der mit der Sammlerecke knapp drei Millionen Euro Jahresumsatz macht, ist selbst gar kein ausgemachter Comic-Fan: „Mich reizt das Händler-Sein“, gesteht er, „eine Systematik entwerfen, die Logistik austüfteln, eine Idee fürs Marketing entwickeln. Manches funktioniert, anderes nicht.“ Und er hat einen guten Riecher. So hatte Maier lange vor Ebay und Amazon einen Shop im Netz: „Unser Fehler war nur, dass damals die Kundschaft noch gar nicht online war“, lacht er heute. Zum Handwerkszeug gehören für ihn ein modernes Bestellsystem und eine Datenbank auf dem neuesten Stand. Als Kundenservice lädt er renommierte Illustratoren zur Signierstunde ein, bietet zweimal im Jahr einen 768 Seiten starken Katalog, einen regelmäßigen Newsletter und einen Blog, auf dem sich Interessierte austauschen können: Wo gibt es Hüllen für „Lurchi“-Hefte? Wer sucht einen Stadtplan von Entenhausen? Wer kennt die Studie von Neurochirurgen, die sämtliche „Asterix“-Schlägereien unter medizinischen Aspekten ausgewertet haben? Und das Team ist auf allen wichtigen Messen und Conventions vertreten.

Neben den Comics hat sich die Sammlerecke vor allem mit Romanheften einen Namen gemacht: „Um 1910 waren in Deutschland Schundromane und Groschenhefte unglaublich verbreitet. In der Nazizeit waren sie verboten, und nach dem Krieg gab’s einen Boom und neue Trends, in den 50ern die Western, in den 60ern Science-Fiction wie ‚Perry Rhodan‘, Gruselromane wie ‚John Sinclair‘ waren es dann in den 70ern“, erzählt Maier. Besondere Schnäppchen, seltene Exemplare und teure Kostbarkeiten lagern unter Verschluss: Von Hand gezeichnete Original-Titel-Bilder, „Asterix“ in der Erstauflage, Stundenpläne und Sonnenblenden, die in den 60er-Jahren den Micky-Maus-Heften beilagen, oder Piccolo-Streifenhefte: „Um Kosten zu sparen, wurden drei Exemplare untereinander gedruckt und auseinandergeschnitten. Damals gab es sie für 20 Pfennig, heute kosten sie je nach Zustand zwischen 200 und 400 Euro“, erklärt Maier. Unter bestimmten Voraussetzungen taugen Comics auch zur Geldanlage, weiß der „Herr der Hefte“, wie Maier gern genannt wird: Wer einen guten Riecher habe, mit ordentlichem Etat gezielt kaufe, was gut gemacht ist, einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, in gutem Zustand und selten ist, der könne durchaus mit Comics Gewinn machen. „Aber das ist eine aufwendige Sa-

che, denn man muss den Markt beobachten und den richtigen Zeitpunkt für den Verkauf erwischen.“

Im Untergeschoss gibt es nochmal über 1000 Quadratmeter Lager. Ein Großteil ist sortiert, um den Sollbestand im Erdgeschoss immer nachzufüllen, schließlich rühmt sich die Sammlerecke, dass die auflagenstärksten Hefte meist mehrfach vorrätig sind: Von den „Jerry Cotton“-Heften allein sind bislang 3072 Nummern erschienen. Und nur ganz hinten im Keller gibt es noch nicht-ausgepackte Kisten. „Sie vermehren sich mit unglaublicher Geschwindigkeit“, lacht Frieder Maier. Wen wundert’s, ist doch ein Sammlerecke-Mitarbeiter immer mit dem Lkw auf Tour, um Sammlungen anzuschauen, einzuschätzen und aufzukaufen.

Am Samstag, 14. Mai, lädt die Sammlerecke zum Gratis-Comic-Tag in die Esslinger Daimlerstraße 8 ein. Jeder Besucher erhält aus den 34 extra für diesen Tag aufgelegten Heften sechs Gratis-Comics zur freien Auswahl. Infos unter www.sammlerecke.de oder www.gratiscomictag.de