Ungewöhnlich: Erdbeer-Spinat. Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun

Die Vielfalt ist kaum zu überblicken: Töpfchen an Töpfchen der verschiedensten Kräutersorten reihen sich auf den langen Tischen im Innenhof des Hofguts Sirnau aneinander. Dort stehen gängige Spezies wie Petersilie, Dill und Schnittlauch neben neuen Kreationen wie Erdbeer-Minze, Ananas-Salbei oder Zimt-Basilikum und ganz exotischen Exemplaren wie Olivenkraut oder dem angeblichen Anti-Aging-Mittel Jiaogulan. Auf dem Boden befinden sich Großversionen von Rosmarin oder Salbei in schweren Tontöpfen, vor manch einer ungewöhnlichen Pflanze wurde zudem eigens ein Informationsschild platziert.

Hier wird deutlich, was Peter Sanzenbacher, Gärtnermeister beim Hofgut Sirnau, seit einigen Jahren beobachtet: Die Nachfrage nach dem würzigen Grün schießt ins Kraut. Immer mehr Menschen nutzen Kräuter zum Würzen in der Küche, als sanfte Heilmittel oder schlicht zur Dekoration. Lange gibt es diesen Trend noch nicht: Erst seit etwa zehn Jahren wachse die Lust auf Kräuter immer mehr, sagt Sanzenbacher. „Vor 50 Jahren wurden Speisen überwiegend mit Salz und Pfeffer gewürzt“, erzählt er. Doch mit dem steigenden Gesundheitsbewusstsein und wegen der zahllosen Kochshows im Fernsehen habe sich das in den vergangenen Jahren stark gewandelt: „Die Köche verwenden viele neue Zutaten, das wollen die Leute dann ausprobieren.“

Beim Hofgut Sirnau hat man auf den Siegeszug der Kräuterwelt reagiert: Inzwischen bietet die Baumschule mehr als 150 verschiedene Sorten von vier verschiedenen Kräutergärtnereien an. Einer der Anbieter zieht seine Pflanzen nach Bioland-Kriterien, die anderen drei nicht. Aber dafür seien deren Gewächse vegan, sagt Sanzenbacher: „Bio-Kräuter werden mit organischem Dünger wie Hornspänen oder Dung versehen“, erklärt Sanzenbacher. Der mineralische Dünger, der im konventionellen Bereich eingesetzt werde, sei dagegen vegan, allerdings sei er beim Bio-Anbau nicht erlaubt.

Am meisten gefragt ist laut Sanzenbacher das Basilikum - in all seinen Variationen. Die Gewürzpflanze ist inzwischen auch mit roten Blättern zu bekommen, ebenso als Strauch-, Thai- oder Zimt-Basilikum. Der Renner sei aber das Zitronen-Basilikum, erzählt der Gärtnermeister: „Da sind gerade alle ganz wild drauf.“ Dabei eigne es sich im Prinzip für gar kein Fleischgericht. Zu Fisch hingegen passe es hervorragend: Die Kombination mit der zitronigen Würze komme offensichtlich sehr gut an. Auch Salatkräuter würden sehr gern gekauft, etwa Petersilie und Schnittlauch, Rucola, Kapuziner- und Brunnenkresse, Ampfer oder Koriander. Diese weichen, wenig holzigen Pflanzen seien auch gut für Smoothies geeignet.

Kräuter hätten einen ausgesprochen hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalt - und das bei wenig schädlichen Stoffen. „Weil Kräuter so schnell wachsen, haben sie keine hohe Stickstoffkonzentration“, erklärt Sanzenbacher. Stickstoff reichere sich erst im Lauf der Zeit an, also vor allem bei älteren, langsam wachsenden Pflanzen. Auch heilende Wirkung wird vielen Kräutern nachgesagt, allerdings hält sich der Gärtnermeister bei Tipps zu diesem Aspekt zurück. Denn viele der alten Weisheiten seien nicht geprüft, und er wolle niemandem etwas in dieser Hinsicht versprechen.

Dennoch sind die sogenannten Superfoods wie Weizengras, Gerstengras oder Chia heiß begehrt. „Weizengras soll reinigend wirken, Gerstengras aufbauend“, erklärt Peter Sanzenbacher. Auch Chia-Pflanzen, deren Samen als überaus gesund gelten, habe das Hofgut im Angebot - allerdings sei die Aufzucht der Pflanze so schwierig, dass er dies nur als Spielerei für Experimentierfreudige empfehle, sagt der Gärtnermeister. Anfängern hingegen rate er, sich erst einmal an gängige Sorten zu halten, wie Basilikum, Schnittlauch, Rosmarin oder Thymian. Diese seien recht einfach zu pflegen und man finde schnell Rezepte, für die sie verwendet werden könnten.

Generell gilt: Kräuter mögen keine nassen Füße. „Die meisten Kräuter reagieren extrem auf Staunässe“, sagt Peter Sanzenbacher. Deshalb sei es wichtig, für eine Drainage zu sorgen. Der Gärtnermeister empfiehlt, in Pflanzenkübel oder -kästen zunächst eine Schicht Lavagranulat zu geben, diese mit einem Vlies abzudecken und erst dann Erde darauf zu geben. Kräuter im Gartenboden sollten von einer Mischung aus Sand und Erde umgeben sein. Die meisten Kräuter seien für Töpfe, Kübel oder Balkonkästen geeignet, zudem sei meist keine spezielle Erde notwendig.

Ob verschiedene Kräutersorten es nebeneinander aushalten, hängt in den meisten Fällen davon ab, ob sie die gleichen Vorlieben haben, was Sonneneinstrahlung und Wasser angeht. Vivian Lenk, ebenfalls auf dem Hofgut Sirnau beschäftigt, gibt als grobe Richtung vor, mediterrane Kräuter wie Rosmarin, Thymian und Oregano zusammen zu pflanzen und Feinkräuter wie Petersilie, Schnittlauch und Dill. Lediglich Liebstöckel und Wermut vertragen sich kaum mit anderen Sorten: „Wermut sondert über die Wurzeln Stoffe ab, die alles andere kaputt machen“, erklärt Peter Sanzenbacher. Liebstöckel gilt dagegen als Einzelgänger, weil er sehr viel Platz beansprucht.

Der Mai gilt als idealer Monat, um Kräuter zu pflanzen. Die Temperaturen passen, „außerdem gibt es jetzt die größte Auswahl“, sagt Sanzenbacher. Schon in einem Monat könne das ganz anders aussehen. Ein Großteil der Kräuter sei allerdings mehrjährig, betont Vivian Lenk. Man muss also nicht jedes Jahr neue Exemplare anschaffen. Zumal etwa 90 Prozent der Würzpflanzen winterhart seien, schätzt Sanzenbacher. Sprich: Man kann sie auch bei Kälte draußen stehen lassen. Nicht ganz so robuste Sorten sollten allerdings wie Balkonblumen behandelt werden, rät Lenk, also im Winter ins Haus gestellt werden und erst im Frühjahr wieder raus kommen.

Kräuter werden längst nicht mehr nur in herzhaften Gerichten verwendet, sondern auch für Nachspeisen und Cocktails. Dafür eignen sich laut Vivian Lenk Sorten wie Ananas-Salbei, Orangen- oder Schokoladen-Minze. Auch speziell für Cocktails geeignete Hugo- oder Mojito-Minze gibt es bereits. „Wir hören von den Leuten immer wieder, dass Kräuter ihre Speisen enorm aufwerten“, sagt Sanzenbacher. Das sei kein Wunder: Idealerweise kämen die Würzpflanzen erst ganz zum Schluss ins Essen und verbreiteten dann ihre ätherischen Öle. „Damit bekommt man ein ganz anderes Gericht.“ Und selbst, wer kaum kocht, muss kein Kräutermuffel sein: „Viele der Pflanzen haben einen hohen Zierwert“, findet der Gärtner.

expertentipps zu ernte und aufbewahrung

Ernte: Blüten und Blätter von Kräutern sollten am besten an sonnigen Tagen am späten Vormittag geerntet werden, wenn die Sonne den Tau bereits getrocknet hat. Allerdings sollte man nicht zu viel abpflücken, damit sich die Pflanze noch regenerieren kann. Generell wird eine Ernte vor dem 15. August empfohlen, weil viele Kräuter Mitte August anfangen, für den Winter Pflanzensäfte in die Wurzel zu ziehen. Wer Wurzeln ernten will, sollte dies im Herbst erledigen, wenn sich die Pflanze in der Ruhephase befindet.

Trocknen: Wer Kräuter trocknen möchte, zum Beispiel für Tee, sollte sie direkt nach dem Ernten an einem warmen, schattigen Platz aufhängen oder auf Vlies oder Gaze ausbreiten - am besten auf einem Wäscheständer, damit von allen Seiten Luft an die Pflanzen kommt und die Gefahr des Verschimmelns gering bleibt. Während des Trocknens sollten die Kräuter auch einmal umgedreht werden, damit sie gleichmäßig durchtrocknen. Sie sind fertig, wenn sie sehr leicht und zerbrechlich sind.

Aufbewahren: Viele Kräuter lassen sich auch problemlos einfrieren. Praktisch ist das Einfrieren in einem Eiswürfelbehälter, so können einzelne Kräuterportionen hergestellt werden.