Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

Der Schlitten der Strickmaschine fährt gleichmäßig über das Nadelbett. Zentimeter um Zentimeter spuckt die Maschine feines Gestrick aus. Das fühlt sich zwar schön weich, aber längst nicht so kuschlig an, wie man es von Angorawolle gewöhnt ist. „Der typische Flausch kommt erst mit dem Waschen“, erklärt Ulrich Bauer, der Anfang der 80er-Jahre gemeinsam mit seiner Frau Ines das Familienunternehmen übernommen hat. Die Runden in der Waschtrommel sind auch deshalb unerlässlich, weil der Strickstoff dabei kräftig schrumpft. „Wir möchten ja nicht, dass unsere Kunden eine böse Überraschung erleben.“ Erst nach dem Waschgang werden die Stoffe dann zugeschnitten und genäht.

Mit den kuschligen Häschen ist Ulrich Bauer schon seit der Kindheit vertraut. Sein Großvater Alfred hatte in den 20er-Jahren eine Angora-Kaninchen-Zucht aufgebaut. „Während des Kriegs war er aber gezwungen, die Wolle abzuliefern. Daraus wurde vor allem für die Luftwaffe Unterwäsche gemacht“, erzählt der Enkel. Denn schon damals wusste man um die Eigenschaften des Angora-Haars. „Da das superfeine Haar Millionen mikroskopisch kleiner Luftkammern hat, speichert es hervorragend Wärme und hält den Körper somit perfekt auf Betriebstemperatur“, schwärmt Ulrich Bauer. „Gleichzeitig transportiert es auch die Feuchtigkeit.“ Das wissen Waldarbeiter, Wengerter, Handwerker, Landwirte, Jäger oder Skifahrer ebenso zu schätzen wie Wassersportler. „Den feinen Angora-Overall, den wir seit einiger Zeit im Programm haben, tragen viele Taucher unter ihren Trockenanzügen“, berichtet der Firmenchef, der die Funktionswäsche und andere Angoraprodukte regelmäßig auf der Fachmesse „Boot“ in Düsseldorf präsentiert. Die Socken aus Angorawolle sind nicht nur bei all jenen beliebt, die schnell kalte Füße bekommen. „Auch viele Segler oder Motorbootfahrer tragen sie in ihren Gummistiefeln.“

Während die kuschlig-weichen Fußwärmer außer Haus gestrickt werden, haben Ines und Ulrich Bauer die gesamte restliche Produktion inzwischen in der Plochinger Straße in Deizisau konzentriert. Als das Ehepaar nach seinem Betriebswirtschaftsstudium in die 1954 von Ulrich Bauer senior gegründete Firma einstieg, waren noch 14 Lohnbetriebe am Start. „Doch dann begann hier bei uns in der Textilindustrie das große Sterben der Betriebe“, erzählt der Geschäftsführer. Schließlich machte auch der letzte Konfektionär, der für die Angora-Moden GmbH Unterwäsche genäht hatte, Anfang der 90er-Jahre dicht. „Obwohl mein Vater Bedenken hatte, sind wir ins kalte Wasser gesprungen und haben begonnen, komplett selbst zu produzieren.“ Heute stehen rund 25 Strickmaschinen im Betrieb, die in den Wintermonaten natürlich im Dauereinsatz sind. Die meisten Strickapparate haben zwar schon etliche Jahre auf dem Buckel. So ist auch noch die Rundstrickmaschine „Esta“ der Denkendorfer Firma Eppinger im Einsatz. „Die Firma gibt es zwar nicht mehr, die Maschine läuft aber noch hervorragend.“ Das ist nicht nur der schwäbischen Wertarbeit vergangener Tage, sondern auch Ines Bauers technischem Geschick zu verdanken. „Meine Frau versteht viel mehr von den Maschinen als ich.“

Die eigene Produktion hat nicht nur den Vorteil, dass man flexibler auf die Wünsche der Kunden reagieren kann. „Da wir sehr großen Wert auf Qualität legen, haben wir auch da selbst die Hand drauf“, sagt der Geschäftsführer, der auf den Direktvertrieb setzt. Zudem wird in Deizisau Kleidung und Unterwäsche für andere Hersteller produziert. Wer Qualitätsware liefern will, braucht nicht nur gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Gerade bei einem Naturprodukt kommt es auf die Rohware an.“ Zwischen zwei und drei Tonnen Angorawolle laufen pro Jahr durch die Strickmaschinen. Die Wolle bezieht Ulrich Bauer von Kleintierzüchtern in Deutschland. Die meisten kennt er sogar persönlich und weiß somit, dass sie sich gut um die Tiere kümmern, die übrigens spätestens alle drei Monate geschoren werden müssen. „Nur wenn ein Kaninchen gut gehalten wird, liefert es auch gute Wolle - und das gilt auch für China“, betont der Firmenchef und spricht damit die Bilder an, die die Tierschutzorganisation Peta vor einigen Jahren von grausam gerupften Kaninchen aufgenommen hat.

Kommt eine neue Wolllieferung in Deizisau an, wird sie zunächst auf ihre Qualität geprüft. „Der Vorteil von Angora ist, dass man die Wolle direkt in die Produktion geben kann“, erläutert der Geschäftsführer. „Sie darf aber weder dreckig noch verfilzt sein.“ Gesponnen und gefärbt wird die Wolle außer Haus, wobei Ulrich Bauer „ausschließlich in Deutschland färben lässt“. Vom Trend zurück zur Natur profitiert die Firma ebenso, wie vom Wunsch vieler Kunden nach heimischer Ware und transparenten Produktionsabläufen. „Wer zu uns in den Fabrikverkauf kommt, darf sich auch gerne im Betrieb umschauen.“