Quelle: Unbekannt

„In jedem Patchwork steckt ein Stück ganz besondere Erinnerung, oft auch an einen Menschen.“

Alte Kinderkleidung, Kittelschürzen und andere Stoffreste kommen bei Iris Ciolkowski nicht in den Kleidercontainer. Die Fetzen verarbeitet sie zu kunstvollen Decken. Gemeinsam mit anderen Frauen pflegt sie bei den Schurwald Quiltern in Baltmannsweiler ein Hobby, das schon amerikanische Siedlerinnen schätzten. „In jedem Patchwork steckt ein Stück ganz besondere Erinnerung, oft auch an einen Menschen.“ Da denkt sie an eine Frau, die ihren Mann nach einer schweren Krankheit verloren hat. Ein kunstvoller Quilt mit zwei Stofflagen, die innen wattiert sind (deutsch: Steppdecke), habe ihr über die große Trauer hinweggeholfen. Denn da waren Stoffreste seiner Oberhemden mit verarbeitet.

Derzeit bereiten sich die Schurwaldquilterinnen auf ihr großes „Schurwald-Quilt-Festival“ vor, das am Samstag und Sonntag, 17. und 18. September, jeweils von 11 bis 18 Uhr in der Schorndorfer Straße 6 in Baltmannsweiler stattfindet. Auf dem Hof der Sanitär- und Heizungsfirma der Familie Ciolkowski gibt es nicht nur kunstvolle Steppdecken, Kissen und Topflappen zu sehen. Die nähbegeisterten Frauen möchten die Besucher mit Workshops für ihre Kunst begeistern.

Unter Patchwork versteht man das Zusammennähen verschiedener Stoffstücke (Patches), um aus dem so entstandenen Stoffteil neue Textilien herzustellen. Das Wort „Quilt“ kommt vom lateinischen culcita oder culcitra, was Matratze, Polster oder Kissen bedeutet. Auch im Altfranzösischen findet man cuilte oder colte für Bettdecke oder Kopfkissen als Vorläufer des englischen Wortes Quilt. Das verwandte mittelhochdeutsche Wort „Kolter“ bedeutet Steppdecke und kommt der heutigen Bedeutung von Quilt recht nahe.

„Nähen kann jeder“, ist Ute Junghanns überzeugt. Wer die begeisterte Quilterin an der Nähmaschine erlebt, lässt sich leicht von ihrer Begeisterung anstecken. Die studierte Hochbauingenieurin hat sich nach dem Studium um die Erziehung der drei Söhne gekümmert. Dann hat sie ihr Hobby zum Beruf gemacht und einen Online-Handel für Schneiderei- und Nähbedarf aufgebaut, das „Schurwald-Schneewittchen“. Gemeinsam mit Iris Ciolkowski hat sie 2009 im katholischen Gemeindehaus in Baltmannsweiler den Treff der Quilterinnen ins Leben gerufen. Alle 14 Tage treffen sich die Teilnehmerinnen, um gemeinsam an ihren Projekten zu arbeiten. Beim Zuschneiden und an der Nähmaschine hilft man sich gegenseitig.

„Bei uns wird viel gelacht“, erzählt Junghanns. Wenn jemand nicht so gut nähen könne, sei er oder sie dennoch in der Gruppe willkommen. Die Hauptsache beim Quilten ist für die begabte Handarbeitskünstlerin denn auch „der Spaß, an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten“. Zum großen Quilt, der beim Festival zu sehen ist, hat jede Frau aus der Gruppe ein Quadrat beigesteuert. Zwar harmonieren die braun-gelb-orangefarbenen Töne perfekt, aber jede hat ihre ganz individuelle Gestaltung zum Projekt beigetragen. Das macht die Flickenkunst für Iris Ciolkowski so besonders. Die Gruppe fühle sich einfach richtig wohl zusammen.

Bei aller Lockerheit arbeiten die Quilterinnen ganz konzentriert, wenn es ans Zuschneiden geht. Denn obwohl bei der kunterbunten Flickenkunst Kreativität und ein Gespür für Farben gefragt sind, müssen die Flicken exakt zugeschnitten werden. Mit dem normalen Geodreieck kommen nur ganz Geübte weiter. Deshalb gibt es im Fachhandel sogenannte Quilt-Lineale, mit denen man die Flicken ganz genau abmessen kann. Weil die Linien in der englischen Längeneinheit „Inch“ angegeben und im rechten Winkel eingezeichnet sind, kann damit eigentlich fast nichts schief gehen. Wenn das Lineal richtig liegt, schneidet man mit einem scharfen Schneidmesser kraftvoll an der Kante entlang.

Die Flicken werden dann an der Maschine zusammengenäht. Sehr beliebt und gar nicht so schwer zu gestalten sind Sternenmuster. Ein farbenfroher Hingucker ist der „Rainbow Star Quilt“, den auch Anfänger mit Hilfe der Profis gut gestalten können.

Geht mal etwas daneben, bleibt Ute Junghanns gelassen. Beherzt schneidet die Meisterin der Quilt-Kunst, die auch die Maschinenstickerei bestens beherrscht, die sogenannten „dog ears“ (deutsch: Hundeohren) ab. Dann wird der Stoff aufgebügelt. Manche krumme Naht lässt sich dann bei einem Kissen oder bei einem gesteppten Topflappen elegant vertuschen. Das heiße Bügeleisen steht beim Quilten immer einsatzbereit auf dem Brett, denn beim Nähen verhindert zerknitterter Stoff, dass die Naht gerade verläuft.

Aus Berkheim kommt Gabriele Gmelin zu den Quiltern auf den Schurwald. Die Seniorin fühlt sich in der lockeren Runde wohl. Eins ihrer jüngsten Werke ist ein Kinderkissen für den kleinen Matteo, das sie aus blauem Stoff und bunten Flicken genäht hat. Gerne tauscht sie sich mit den nähbegeisterten Frauen über ihre Projekte aus. „Wir lernen viel voneinander“, findet Iris Ciolkowski. „Jede kennt einen anderen Kniff, den sie an die Gruppenmitglieder weitergibt.“

Und die Frauen, die zwischen 18 und 77 Jahre alt sind, wollen mit ihren Arbeiten auch Gutes tun. 2015 haben sie zur Weihnachtszeit 20 Decken für krebskranke Kinder im Stuttgarter „Olgäle“ genäht. Als die Frauen die Steppdecken mit fröhlichen Farbtönen und Mustern in der Klinik an die Jungen und Mädchen übergaben, strahlten die übers ganze Gesicht. Das hat die Frauen tief berührt.

http://schurwaldquilter.de.tl/

Zur Tradition des Quiltens in Amerika

Anfänge in Amerika: Patchwork hat seine Anfänge bereits im alten Orient. Der älteste erhaltene Quilt-Teppich wurde 1924 von Archäologen in einer Höhle in der Mongolei entdeckt und auf einen Zeitraum zwischen 100 vor Christi bis 200 nach Christi datiert. Weil man für das Quilten sehr viel Stoff brauchte und der teuer war, blieb diese Kunst unter den amerikanischen Siedlerinnen im 17. Jahrhundert den reichen Frauen vorbehalten. Erst im 19. Jahrhundert kam Patchwork in den USA richtig in Mode. Erste klassische Muster entstanden, wie etwa die „Flying Geese“ (deutsch: fliegende Wildgänse) oder „Irish Chain“ (irische Kette).

Populär im Bürgerkrieg: Während und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg gab es Näh-Initiativen, die Quilts herstellten, um sie Männern mit in den Krieg zu geben. Initiativen, die Sklaverei abschaffen wollten, verkauften Quilts. Der Legende nach sollten Patchworkmuster einen Code enthalten, der Sklaven Wege in die Freiheit weist, genannt „Underground Railroad Quilt Code“.

Noch immer im Trend: Viele amerikanische Frauen pflegen die Tradition noch heute. Lernen kann man das Quilten unter anderem beim City Quilter in New York.

www.cityquilter.com