Mit dem in Glasurfarbe getauchten Stempel wird das Schälchen verziert. Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

In den Regalen der Werkstatt stapeln sich jede Menge Teller, Tassen, Becher, Schalen, Schüsseln, Platten, Türschilder und vieles mehr. Die Rohlinge werden von einer Firma in Österreich geformt, dort auch gebrannt und als Rohware an den Neckar geliefert. „Wir sind also keine Töpferwerkstatt. Hier wird nur gemalt“, erklärt Barbara Berndt-Schröder, die vor einem Jahr in der Mittleren Beutau die Bemal-Werkstatt eröffnet und sich damit ein zweites berufliches Standbein geschaffen hat. Denn eigentlich ist sie Massage-Therapeutin. „Da ich aber selbst immer mehr Probleme mit den Gelenken bekommen habe, habe ich nach neuen beruflichen Ideen gesucht“ - und die schließlich in Heidelberg gefunden. „Im Großraum Stuttgart gibt es nichts Vergleichbares zu meiner Werkstatt.“ Gut traf es sich, dass im Haus ihres Neffen just zu dem Zeitpunkt der kleine Laden im Erdgeschoss frei geworden war. „So etwas Kunsthandwerkliches passt super in diese wunderschöne Altstadtgasse. Denn die Beutau ist ja ein altes Handwerkerviertel“, sagt die Inhaberin, die natürlich auch beim Beutau Flair am nächsten Sonntag die Werkstatttüren öffnen wird.

Dass ihre Idee in Esslingen ankommt, sieht man an diesem sonnigen Herbstmorgen. Am großen Tisch hat sich eine Gruppe Frauen versammelt. Man duzt sich, plaudert munter miteinander, trinkt einen Kaffee, lässt sich das Gebäck schmecken, das die Hausherrin auf einer Etagere - natürlich einer handbemalten - angerichtet hat, gibt sich gegenseitig Tipps und diskutiert seine Ideen mit Barbara Berndt-Schröder. „Bei uns ist immer gute Stimmung. Denn Keramik zu bemalen, entschleunigt einfach“, weiß sie aus eigener Erfahrung. Dass sie inzwischen sehr viele Stammkunden hat, freut die Inhaberin natürlich. Zumeist zieht es Frauen in die hübsche kleine Werkstatt. Es kommen aber auch Männer - zum Beispiel, wenn der Chef beschlossen hat, dass es mal wieder Zeit für ein kreatives Gruppenerlebnis der Belegschaft wäre. Wobei Barbara Berndt-Schröder das Wörtchen „kreativ“ nun ganz und gar nicht mag. Denn dieses Wort impliziere, dass man ein besonderes Talent brauche. „Es ist wirklich kinderleicht, Keramik zu bemalen“, versichert sie. „Dazu muss man nicht malen, sondern nur mit einem Pinsel umgehen können. Und das haben wir alle ja schon in der Schule gelernt.“ Außerdem dürfe man ruhig sehen, dass die Keramik handbemalt ist. „Denn das ist ja gerade der Reiz, dass hier Unikate entstehen.“

Manche Kunden kommen mit genauen Vorstellungen in die Werkstatt. „Am Ende kommt dann aber in den meisten Fällen doch was ganz anderes heraus, weil sie dann hier etwas sehen, was ihnen viel besser gefällt“, erzählt die Chefin, die im Laufe der Zeit einen ganzen Stapel mit Musterbüchern zusammengetragen hat. Zudem liegen verschiedene gestalterische Hilfsmittel bereit, etwa Stempel aus Schaumstoff oder Schablonen, mit denen im Siebdruckverfahren gearbeitet werden kann. Zunächst wird der Rohling aber grundiert, wobei die Kundinnen und Kunden zwischen 120 verschiedenen Farben die Wahl haben. Die Glasurfarben bezieht die Esslingerin fix und fertig gemischt von einer amerikanischen Firma. Erscheinen die verschiedenen Farbtöne im Rohzustand noch pudrig und matt, „platzen die Farbpartikel beim Brennen auf und entfalten ihre ganze Pracht“. Gebrannt wird die Keramik rund 24 Stunden lang bei 1000 bis 1050 Grad. „Danach ist das Geschirr gebrauchsfertig und kann in die Spülmaschine“, erklärt die Expertin. Natürlich lassen sich die weißen Gefäße und Teller auch direkt bemalen. „Die kommen dann in ein Glasurtauchbad, damit man sie hinterher benutzen kann.“ Wer sich für farbige Keramik entscheidet, muss nach dem Grundieren lediglich zehn Minuten warten, dann kann der Malspaß losgehen.

Während manche Malbegeisterte mit dem Pinsel aufwendige Muster aufbringen - „vor allem Männer sind da oft total akribisch“ - greifen andere zum Schaumstoffstempel oder zur Schablone, um den Tassen, Platten, Kannen oder Schüsseln eine individuelle Note zu geben. „Man kann die Keramik natürlich auch beschreiben“, erklärt Barbara Berndt-Schröder, die zudem eine ganze Reihe Effekt-Glasuren im Angebot hat. So beginnt etwa die „Crackles-Glasur“ nach dem Brennen damit, zu reißen. „Nach drei Tagen ist der Prozess abgeschlossen. Damit man die feinen Risse sieht, muss man die Glasur aber noch mit Tinte einlassen.“

Wer’s besonders edel mag, kann sein Werk vergolden. Dazu wird nach dem Brennen zum Beispiel auf den Deckel einer Teekanne mit einer sogenannten Anlegemilch Blattgold aufgebracht, dann kommt noch ein Schutzlack drüber. Schöne Effekte verspricht auch die sogenannte Bubble-Technik, bei der man die Glasurfarbe zunächst in einem Becher aufbereitet. Mit einem Strohhalm wird in die Glasur geblasen, bis sich Blasen bilden, die dann auf das Keramikteil gelegt werden. „Nach dem Brennen sieht das aus wie ein Terrazzo-Boden“, erklärt die Betreiberin der Beutau Keramik, der auch Kinder willkommen sind. „Weil man schon ein bisschen Geduld braucht, sollten die Kinder aber mindestens zehn Jahre alt sein.“ Da Berufstätige tagsüber keine oder wenig Zeit haben, öffnet Barbara Berndt-Schröder die Werkstatt ein bis zwei mal im Monat zum „Abendmalen“ und serviert „einen gemütlichen Cocktail“. Dass sich die Gäste wohlfühlen, ist ihr wichtig. „Für viele, die kommen, ist es wie Meditation“, weiß sie aus Gesprächen mit ihren Kunden. „Gerade in unserer schnelllebigen Zeit genießen sie es, mal runterzukommen.“