Der Verein „Die Schwarzwalduhr“ hat die Wanderung um den Rohrhardsberg mit Kuckucksuhren aus allen Epochen geschmückt. Quelle: Unbekannt

„Kuckuck, kuckuck“ ruft’s aus dem Rucksack. Der bunte Vogel aus Lindenholz saß vor wenigen Stunden noch im Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen, bevor er violette Federn bekam und ein modernes Quarzwerk ans Nest geschraubt wurde. Jetzt ist er, in Seidenpapier verpackt, als „Zugvogel“ unterwegs und löst verwunderte Blicke im Bahnabteil aus.

Als spießiges Wohnzimmer-Inventar verpönt, drohte das traditionsreiche Schwarzwald-Souvenir hierzulande auszusterben. Mit modernem, gradlinigem Design verleihen die Uhrenmanufakturen dem Vogel seit 2005 wieder Auftrieb, allen voran Rombach & Haas aus Schonach. Das Uhrenmuseum setzt im Workshop auf die traditionelle Form, für die Modernität sorgen die farbenfrohen Ideen der Teilnehmer.

Vor der Bastelstunde führt Eva Renz die Workshop-Teilnehmer durch das Museum, das Robert Herweg vor über 160 Jahren in der deutschen Uhrmacherschule eingerichtet hatte. Seit etwa 1750 führten die Schwarzwälder die europäische Uhrenherstellung an. Die hölzernen Modelle waren Billigangebote, die sich einfachere Leute leisten konnten oder zur Hochzeit schenken ließen. Fast auf jedem Hof wurden Uhren produziert, meist vom ältesten Sohn, der sich einen Broterwerb suchen musste. Denn der Hof wurde an den Jüngsten vererbt.

Im Jahr 1802, damals wurde die Produktion erfasst, transportierten die Bauernbuben auf ihren Kraxen 200 000 Uhren in die Welt hinaus. 1851 war die Geburtsstunde der Kuckucksuhr in der heutigen Form. Robert Gerwig lobte einen Wettbewerb aus, um den Schilderuhren ein modernes Gesicht zu verpassen und der US-Konkurrenz, die mit Maschinen produzierte, Paroli zu bieten. Was war damals modern? Die Eisenbahn. Folglich gewann der Architekturprofessor Friedrich Eisenlohr, der das Räderwerk in ein verkleinertes badisches Bahnwärterhäuschen setzte, den Wettbewerb.

Strukturkrise überwunden

Das bei den Touristen beliebte Souvenir machte allerdings nur einen geringen Marktanteil aus. Firmen mit klangvollen Namen wie Junghans, Kienzle und Kundo waren im 20. Jahrhundert mit Wecker und Wanduhren groß im Geschäft. Zwischen 1970 und 2000 gingen jedoch viele Firmen im Kampf mit der asiatischen Konkurrenz unter. Mit dem Know-how aus der Uhrenindustrie baute die Region aber neue Geschäftsfelder auf.

Acht Häuschen im Traditionsstil liegen auf dem Tisch. Rohes Holz, ohne Zeiger, ohne Werk, ohne Gewichte. Acrylfarben, Pinsel und Mischteller sind griffbereit. Eine „Uhrenmacherin“ greift unerschrocken zu knallorange und färbt das komplette Gehäuse ein, nur der Kuckuck wird weiß. Eine junge Frau macht’s umgekehrt: roter Kuckuck auf weißem Grund. Auch froschgrün mit weinrot ist eine Variante. Nach einer halben Stunde sind die bunten Vögel fertig. Chinesische Bastler benötigen bis zu fünf Stunden, erzählt Museumsmitarbeiterin Karin Dreher. Sie gestalten dank ihrer kalligrafischen Fertigkeiten wahre Kunstwerke. „Schöner als alles, was man kaufen kann“, schwärmt Dreher, während sie die lackierten Häuschen trocken föhnt. Der brasilianische Praktikant Frederico Lima teilt derweil Zifferblätter und Gewichte aus.

Die winzigen goldfarbenen Tannenzapfen werden als nächstes angeklebt, nur zur Zierde, nicht als als Energiespender. Ins Häuschen werden auch keine zwei Pfeifen und zwei Blasebalge gesetzt, um den „Kuck-kuck“ zu erzeugen. Alles befindet sich im Quarz-Uhrwerk - selbstverständlich „Made in Germany“ -, das nun mit einem Spezialdreher angeschraubt wird.

Zweisprachiger Vogel

Mit zwei Tropfen Klebstoff wird das Zifferblatt fixiert. Dann der Minutenzeiger aufgesteckt und vorwärts gedreht, bis der Vogel schreit: „Kuckuck, Kuckuck“ - das Uhrwerk steht also auf zwei Uhr. Der große Zeiger muss nochmals raus, damit der kleine auf zwei Uhr gesteckt werden kann, dann kommt der große auf die Zwölf. Schließlich wird das kleine Pendel hinten am Uhrwerk eingehängt. Fast hektisch zuckt es hin und her. Fertig ist die individuelle Uhr. Bald kann der Kuckuck zuhause schreien, von Vogelgezwitscher angekündigt, vom plätschernden Bächlein begleitet und mit Echo. Fremdsprachenkenntnisse besitzt der Schwarzwälder auch: Auf Knopfdruck wechselt er zum Dong-Ding-Dong des Londoner Big Ben.

Workshop und Uhrenwerkstatt

Der dreistündige Workshop Kuckucksuhr inklusive Museumsführung ist bislang nur für Gruppen buchbar. Bis zehn Personen kostet er 400 Euro. Jede weitere Person kostet 40 Euro. Das Deutsche Uhrenmuseum will ab 2017 aber Workshops für Einzelpersonen einführen.

Für Kinder von 6 bis 12 Jahren öffnet das Furtwanger Museum während der Sommerferien (bis 6. September) dienstags seine „Uhrenwerkstatt“. Die Kinder sägen ein Brettchen aus, das als Träger des Quarz-Uhrwerks dient. Ob die Zeiger dann übers Monstergesicht laufen oder der Kuckuck auf dem Fußballtor sitzt, bleibt der unendlichen kindlichen Phantasie überlassen.

Deutsches Uhrenmuseum, 78 120 Furtwangen. Infos unter Tel. 0 77 23/ 920-28 00. Die Öffnungszeiten sind von April bis Ende Oktober täglich 9 bis 18 Uhr, im Winterhalbjahr von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet 6 Euro.