Vor allem ins Anschreiben sollte man viel Herzblut stecken Foto: Stepstone

Von Lukas Leist

„In den ersten zwei Tagen nach Erscheinen unserer Stellenanzeige besuchten fast 500 Personen unsere Webseite“, erzählt Hans-Joachim Neher, Geschäftsführer der DCS Dialog-Computer-Software GmbH in Darmstadt. „Viele verweilten länger als eine Viertelstunde.“ Das weiß er aufgrund der Google Analytics-Daten. Umso überraschter war Neher, als er die Bewerbungen als „Assistent(-in) der Geschäftsführung“ sichtete. Von den mehr als 100 Bewerbern ging maximal ein Viertel auf den Text der Anzeige ein. Dass die Bewerber auf der Webseite des IT-Dienstleisters waren, „das spürte man bei einem halben Dutzend“.
In allen Bewerbungsratgebern steht: „Nehmen Sie im Anschreiben Bezug auf die Stellenanzeige. Zeigen Sie, dass Sie sich über das Unternehmen informiert haben.“ Trotzdem tut dies das Gros der Bewerber nicht. Meist versenden sie an alle Unternehmen weitgehend dasselbe Standard-Anschreiben. „Dann jammern sie, dass sie nur Absagen erhalten“, kritisiert Meera Gandbhir von der Stuttgarter Personalberatung Conciliat. „Dabei erhält, wer sich so wenig Mühe gibt, zu Recht eine Absage.“
Stellensucher sollten Zeit und Energie verwenden. „Das gilt insbesondere für wirklich attraktive Stellen, auf die sich viele bewerben“, betont Bernadette Imkamp, Leiterin Personalbetreuung bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. „Mit dem Anschreiben können sich Bewerber positiv von Mitbewerbern abheben.“
Wer sich positiv abheben möchte, muss Grundanforderungen erfüllen. Das ist oft nicht der Fall, weiß Markus Vogel vom Bildungsdienstleister Provadis. Erstaunlich sei, wie oft sogar Anschreiben von Akademikern Rechtschreibfehler hätten. Auffallend oft finden sich noch Namen „fremder Unternehmen und Ansprechpartner“. Deshalb rät Vogel: „Lassen Sie das Anschreiben nach dem Verfassen noch einen Tag liegen und lesen Sie es erneut. Lassen Sie es vor dem Versenden von anderen gegenlesen.“
Firmenvertreter merken außerdem an: Die meisten Bewerber wiederholen im Anschreiben Floskeln aus den Stellenanzeigen. Stehen darin die Adjektive „teamfähig“ und „kommunikativ“, findet man sie auch in den Anschreiben. Nur wenige Bewerber übersetzen die Begriffe und beziehen sie auf die angestrebte Position. Zum Beispiel mit einer Aussage wie: „Es fällt mir leicht, Menschen zu kontaktieren“ – eine Aussage „mit der zum Beispiel viele Bewerber um eine Stelle im Verkauf und Service punkten würden“, weiß der Esslinger Kommunikationsexperte Ingo Vogel. Der Autor des Buchs „So reden Sie sich an die Spitze“ empfiehlt: „Werden Sie konkret, wenn es darum geht, was Sie für eine Stelle qualifiziert.“
Ähnlich äußert sich die Leiterin des Personalmarketings der Allianz Versicherungsgruppe, Julia Laas. Wenig zielführend sei eine Aussage wie: „Mich interessiert die Arbeit in Versicherungen.“ „Mich interessiert auch vieles“, sagt sie. „Deshalb mache ich es aber nicht zu meinem Beruf.“ Stärker würde Laas interessieren, was den Bewerber genau an der Arbeit für ein Versicherungsunternehmen reizt. Und warum gerade für dieses.
Doch manchmal schadet zu viel Konkretion. Etwa im Fall einer jungen Frau, die sich bei Neher als „Assistentin der Geschäftsführung“ bewarb. Sie schrieb: „Ich habe auf der Startseite Ihrer Webseite zwei Rechtschreibfehler entdeckt. Welche? Das sage ich Ihnen im Vorstellungsgespräch.“ „Die Frau müssen wir einladen“, war die spontane Reaktion von Neher. Denn der neue Mitarbeiter sollte auch fit in Sachen Rechtschreibung sein. Zudem strahlte diese „kecke Formulierung“ Selbstbewusstsein aus. Doch dann saß Neher der Frau gegenüber. Und er fragte sie: „Welche Fehler haben Sie entdeckt?“ Es zeigte sich: Die vermeintlichen Rechtschreibfehler sind keine. Das Vorstellungsgespräch war gelaufen.