Was ist realistisch? Darüber sollten sich Bewerber gut informieren. Foto: dpa

Von Bernhard Kuntz

„Bitte senden Sie Ihre Bewerbung mit Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung an . . .“ Dieser Satz steht am Ende vieler Stellenanzeigen. Regelmäßig bringt er Bewerber ins Schwitzen, weiß Klaus Scholbeck, Vergütungsexperte bei der Personalberatung Conciliat. Kaum haben sie den Satz gelesen, beginnt sich im Kopf ein Karussell zu drehen: „Soll ich ein hohes Gehalt nennen, um Selbstbewusstsein zu zeigen? Oder katapultiere ich mich damit aus dem Rennen?“ Weil sie auf diese Frage keine befriedigende Antwort finden, gehen Bewerber auf die in der Stellenanzeige formulierte Bitte oft überhaupt nicht ein.
Das ist laut Scholbeck die „falscheste Reaktion“. Denn dann sind die Bewerbungsunterlagen unvollständig. Also beginnt nun bei den Personalverantwortlichen das Kopfkarussell zu kreisen: „Warum nennt der Bewerber keine Zahl? Kann er seinen Marktwert nicht einschätzen?“ Und: „Wie reagiert er sonst auf Wünsche? Negiert er diese ebenfalls?“
Scholbeck rät im Anschreiben zumindest zu signalisieren: Ich habe Ihren Wunsch registriert. Zum Beispiel mit einer Formulierung wie: „Mein aktuelles Jahresgehalt beträgt 40 000 Euro.“ Besser ist es aber, sich im Vorfeld zu informieren, was eine angemessene Forderung ist.
Das tun die meisten qualifizierten Bewerber, berichtet Personalreferentin Maike Unger von der Allianz Deutschland. Dort bittet man zum Beispiel die Hochschulabsolventen, die sich für ein Trainee- oder Vorstandsassistenten-Programm bewerben, ihre Gehaltsvorstellung zu nennen. „Denn wir wollen, dass die Bewerber sich mit der Frage befassen, welches Gehalt bei vergleichbaren Positionen üblich ist und sich eine eigene Meinung bilden“, erklärt Unger. Fast alle Bewerber gehen auf den Wunsch ein. Und wenn ein Bewerber dies nicht tut? Dann wird er im Telefoninterview, das sich meist anschließt, nach seiner Gehaltsvorstellung gefragt.
Ähnlich agieren die meisten Unternehmen. Nennt ein Bewerber seinen Gehaltswunsch nicht, muss er spätestens im Bewerbungsgespräch eine Zahl nennen. „Warum diese also nicht gleich in die Bewerbung schreiben und so verhindern, dass man beim Sichten der Unterlagen einen Minuspunkt erhält?“, fragt Scholbeck. Die Angst, bei einem zu hohen Betrag aus dem Rennen zu fliegen, sei meist unbegründet.
Maike Unger berichtet: „Bewerber für unser Trainee- und Vorstandsassistenten-Programm nennen tendenziell eher ein zu hohes Gehalt.“ Eine Absage erhalten sie deshalb nicht. Unger weiß: Gerade Top-Bewerber pokern oft bewusst etwas hoch, um Selbstbewusstsein zu signalisieren und Verhandlungsspielraum zu schaffen. Ob sich ein Bewerber für das Unternehmen entscheidet, hängt nicht davon ab, ob das Unternehmen ihm im Monat 200 Euro mehr oder weniger bezahlt. „Entscheidend sind das Gesamtpaket und die Entwicklungsperspektive.“ Ähnlich äußern sich Vertreter kleinerer Unternehmen. Rudolph Welcker, Geschäftsführer einer Firma, die Teppichböden produziert und vertreibt, fragt in Stellenanzeigen nie nach der Gehaltsvorstellung. Doch beim ersten Treffen stellt er die Frage und erwartet eine Antwort, die zeigt, dass der Bewerber seinen Marktwert realistisch einschätzt. Das heißt: Die Gehaltsvorstellung muss der Qualifikation und vakanten Stelle angemessen sein. Ist dies nicht der Fall, fliegt der Bewerber aus dem Rennen. Ist die Vorstellung realistisch, wird das Auswahlverfahren fortgesetzt. Am Ende erhält der Bewerber ein Gehaltsangebot – zuweilen höher als der Gehaltswunsch, den er formulierte.