Das Bundestagsgebäude in Berlin. Foto: picture alliance/dpa

Am 15. September ist internationaler Tag der Demokratie. Wir haben in Esslingen nachgefragt, was Demokratie bedeutet und ob die Corona-Demos etwas verändern.

Esslingen - Mit den Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen vor einigen Wochen in Berlin hat es der Begriff der Demokratie sowohl in die Schlagzeilen als auch in einige Talkrunden geschafft. Die Demo wurde zunächst verboten, dann wieder erlaubt und schließlich drangen Demonstranten bis zum Bundestagsgebäude vor. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete den Vorfall als „unerträglichen Angriff auf das Herz unserer Demokratie“. Heute ist der internationaler Tag der Demokratie. 2007 hatten die Generalversammlung der Vereinten Nationen diesen Tag dazu erklärt. Wir haben in Esslingen nachgefragt:

Was bedeutet Demokratie in Deutschland in Zeiten der Corona-Demonstrationen? Verändern die Demos etwas? Und was macht die Demokratie in Deutschland aus?

„Freiheitliche Gesellschaft“

Professor Christof Wolfmaier, Rektor der Hochschule Esslingen, sagt: „Wir leben zum Glück in einer der freiheitlichsten Gesellschaften der Welt. Freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut, das es zu pflegen gilt. Dazu gehören auch Meinungen, die uns aufrütteln und zum Nachdenken bringen sollen.“ Er fände die Zusammensetzung der Gruppierungen, die sich momentan auf den Demos zeigt, allerdings befremdlich. „Ich glaube nicht, dass es eine aus meiner Sicht bemerkenswert große aber dennoch überschaubare Menge von Corona-Leugnern, -Zweiflern und Verschwörungstheoretikern, flankiert von links- und rechtsradikalen Gruppierungen gelingt, unsere Demokratie zu gefährden“, so der Rektor der Hochschule Esslingen. „Ich halte die überwiegende Mehrheit unserer Bevölkerung im Umgang mit der Pandemie für sehr vernünftig.“

Für ihn gebe die Verfassung dem Land einen formalen Rahmen. „Der darin verankerte Föderalismus gibt uns individuelle Gestaltungsspielräume“,sagt Wolfmaier. „Die Bevölkerung kann sich von der Kommunal- bis in die Bundesebene bei Wahlen artikulieren – aber auch in Demonstrationen.“ Er weist aber auch darauf hin, dass „augenscheinlich kuriose Bewegungen uns zum Nachdenken anregen“ sollen. Wolfmaier findet: „Gut, dass man sie sieht. Wir sollten darüber öffentlich diskutieren, diese aber nicht stigmatisieren.“

„Das Volk ist der Souverän“

Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger sagt: „In einer Demokratie ist das Volk der Souverän. Den hohen Anspruch der Demokratie sehe ich auch in der Corona Pandemie gewährleistet.“ Ob die Demonstrationen gegen die Corona-Regeln die Demokratie in Deutschland gefährden? „Nein, aber die Wahrnehmung des Staates verändert sich teilweise“, sagt Zieger. „Ein öffentliches Gemeinwesen allerdings trotzdem so erfolgreich und leistungsfähig zu steuern ist für ein demokratisches Gemeinwesen durchaus anstrengend. Das sage ich aus tiefer Überzeugung und persönlicher Erfahrung.“

Für ihn sei die Demokratie in Deutschland geprägt durch „das Prinzip der Gewaltenteilung, durch freie Wahlen, Freiheit zur Meinungsäußerung, Pressefreiheit und die Möglichkeit der politischen Partizipation für jeden.“

Er hat eine eindeutige Meinung zu denjenigen, die sich nicht an die Corona-Regeln halten oder gegen diese demonstrieren: „Die kritischen Geister aller pandemischen Regelungen fallen für mich vor allem durch Egoismus und Rücksichtslosigkeit, ja sogar durch Rechtsbruch auf.“