Von Melanie Braun

Esslingen - Ist das Zinstief gut oder schlecht für Kommunen? Auf diese Frage will man in manchen Städten und Gemeinden im Kreis Esslingen lieber keine klare Antwort geben. Denn pauschal könne man das gar nicht sagen, heißt es. Zwar profitierten die Kommunen von niedrigen Zinsen bei neuen Kreditaufnahmen, aber bei der Vermehrung von Rücklagen und Geldanlagen sehe es natürlich mau aus.

Marius Osswald vom Esslinger Finanzdezernat erklärt: „Die Auswirkungen der Niedrigzinsphase hängen immer davon ab, wie viele Kredite und Geldanlagen die Stadt hat.“ Wie es derzeit in Esslingen aussehe, könne er aber gar nicht sagen: „Das ändert sich fortlaufend.“ Bei der Stadt seien variable Zinsen tabu, man versuche stets, möglichst lang laufende Kreditkonditionen zu vereinbaren. Doch auch dabei gelte es, abzuwägen, denn wenn die Verträge festgezurrt seien, könne man auch nicht von sinkenden Zinsen profitieren. Die niedrigen Kreditzinsen kämen letztlich nur bei neuen Verträgen zum Tragen. Allerdings sei auch die Frage, wann man von niedrigen Zinsen spreche: „Hört der Niedrigzins bei 0,5 Prozent auf oder bei zwei Prozent?“, fragt Osswald - um aufzuzeigen, dass pauschale Antworten bei diesem Thema schwierig seien. Per Saldo helfen die niedrigen Zinsen nach Ansicht der städtischen Finanzverwaltung aber der öffentlichen Hand - egal, ob Bund, Land oder Kommunen - , da die Zinsausgaben doch stark gesunken seien.

Man profitiert bei neuen Krediten

Auch in Ostfildern sieht man in punkto Niedrigzins beide Seiten der Medaille. Der Erste Bürgermeister Rainer Lechner sagt: „Es kommt immer darauf an, welche Seite man anschaut.“ Für neue Kredite komme der Stadt das Zinstief natürlich entgegen. „Aber wir müssen auch alte Kreditverpflichtungen mit bis zu fünf Prozent Zins bedienen“, gibt er zu bedenken. Gleichzeitig sei es derzeit kaum möglich, Geld, das etwa aus Steuern in die Kasse fließe, gewinnbringend anzulegen: „Das, was man heute erwirtschaften kann, ist minimalst“, sagt Lechner.

Zwar könne man versuchen, umzuschulden, um den Zinsbetrag zu reduzieren - doch in Ostfildern sei das in den kommenden Jahren nicht möglich. Dafür versuche man im Moment, Darlehen zu möglichst günstigen Bedingungen zu bekommen. Aber ein Risiko gebe es immer, wenn man Investitionen tätige, schließlich wisse man nie, wie sich die Zinsen in der Zukunft entwickelten.

Eher vorteilhaft bewertet man das Zinstief in Wernau. „Für uns wirkt sich die Niedrigzinsphase verhalten positiv aus“, sagt Bürgermeister Armin Elbl. Denn als relativ steuerschwache Kommune verfüge man ohnehin über keine hohen Rücklagen, die man aktuell nur noch niedrig verzinst anlegen könnte. Zudem müsse man speziell in den Eigenbetrieben der Stadt jährlich neue Darlehen aufnehmen, die man jetzt günstig bekomme. Allerdings seien viele alte Kredite mit bis zu 40 Jahren Zinsbindung aufgenommen worden, darauf habe der derzeitige Zinssatz also keinen Einfluss.

Betriebswirtschaftlich von Vorteil

Rein betriebswirtschaftlich sei der niedrige Zins also eher vorteilhaft für die Kommune. „Aber volkswirtschaftlich wäre eine Normalisierung bitter notwendig und somit auch mittelfristig für die Stadt sinnvoll“, sagt Bürgermeister Elbl. Denn bei niedrigen Zinsen würden Staaten und Unternehmer nicht zu Reformen und Innovationen gezwungen, zudem berge der Bauboom im privaten und öffentlichen Bereich die Gefahr einer Blase. Auch die Konzepte für Altersvorsorge von Privathaushalten sowie öffentlichen Renten- und Pensionskassen gingen beim aktuellen Zinstief nicht mehr auf. Auch im kleinen Lichtenwald hat die Niedrigzinsphase überwiegend positive Auswirkungen. „Denn wir sind eine Gemeinde mit relativ geringen Rücklagen und dafür einem relativ hohen Schuldenstand“, erklärt Bürgermeister Ferdinand Rentschler. Da man für den Bau der Mehrzweckhalle, die 2013 eröffnet wurde, in Zeiten des Zinstiefs Kredite aufnehmen musste, falle diese Phase unter dem Strich positiv aus, sagt Rentschler.

Wegen der geringen Rücklagen fielen fehlende Zinseinnahmen aus Geldanlagen hingegen kaum ins Gewicht. Ein Risiko allerdings wäre es aus seiner Sicht, wenn die Niedrigzinsphase zu einem hohen Investitionsvolumen führe, das angesichts der Folgekosten bei einer schlechteren Wirtschaftslage den Haushalt aushebeln könne.