Quelle: Unbekannt

Von Sabrina Erben

Stuttgart/Esslingen - Patrick Rosenberger ist seit 2004 im Immobiliengeschäft tätig. Von Anfeindungen gegen Makler berichtet der Chef der Immobiliensparte der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen aber erst in letzter Zeit. „Das hat sich verschärft“, sagt Rosenberger. So etwas gab es früher nicht. Da die Nachfrage das Angebot heute bei Weitem übersteigt, gibt es für ein schmuckes Einfamilienhaus in Esslingen viele Interessenten. Die Kreissparkasse ist der größte Immobilienmakler im Landkreis Esslingen. Schroff reagieren dann manchmal Hauskaufwillige gegenüber ihren Maklern, wenn sie leer ausgehen. „Die Nachfrage ist hoch“, sagt Rosenberger. In Zeiten von niedrigen Zinsen lässt sich die Immobilie lukrativ finanzieren. Und mit steigender Nachfrage steigen auch die Preise.

Weil der Markt boomt, taucht immer wieder die Angst vor einer Immobilienblase auf. Erinnerungen an die geplatzten Immobilienblasen in den USA und Spanien werden wach. Gibt es hierzulande auch Grund zur Sorge? Eine leise Warnung kam diese Woche von der Bundesbank. Die Immobilienpreise in deutschen Großstädten beunruhigen die Notenbank. Die Anstiege seien mit wirtschaftlichen Faktoren nicht mehr zu erklären. Die Bundesbank beobachtet, dass die Preise für Häuser und Wohnungen 2016 „spürbar“ angezogen haben. Überdurchschnittlich hoch sei die Dynamik in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart gewesen.

Erhebliche Preissteigerungen

In der Landeshauptstadt lagen die Preissteigerungsraten dem Stuttgarter Gutachterausschuss zufolge für bestehende Eigentumswohnungen mit durchschnittlich 15 Prozent erneut im zweistelligen Bereich, Einfamilienhäuser waren im Schnitt acht Prozent teurer. Für ein Einfamilienhaus mussten durchschnittlich 850 000 Euro bezahlt werden. „Es gibt keine Immobilienblase in Deutschland. Es gibt aber Überhitzungserscheinungen. Und punktuell eventuell Preisbereinigungen“, sagt Stephan Kippes, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Überhitzungserscheinungen heißt: Es hat über einen längeren Zeitraum erhebliche Preissteigerungen gegeben. „Die Überhitzung kann dann in eine Blase übergehen. Das hängt von der Intensität des Geschehens ab“, sagt Kippes.

Kippes sieht diese Anzeichen in Deutschland nicht. „Die Immobilienkrise in Spanien endete beispielsweise in einer Immobilienblase, die auch platzte. Spanien hatte über mehrere Jahre hinweg sehr hohe Baufertigungszahlen, die vom Markt aber nicht absorbiert wurden.“ In einfachen Worten: In Spanien wurde einfach zuviel gebaut. „Dass das irgendwann ein Problem wird, war klar.“ Die Erfahrungen mit diesen spekulativen Blasen in den USA und in Spanien zeigen, dass die Überhitzung der Wohnungsmärkte vor allem kreditfinanziert war. „So haben deutsche Banken allerdings noch nie Kredite vergeben“, sagt Rosenberger von der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. Auch für die Region kann Kippes beruhigen: „Die Region Stuttgart ist eine der wenigen Regionen für die bis 2030 mit einem Bevölkerungsanstieg gerechnet wird, gleichzeitig entsteht eine erhebliche Nachfrage, weil die Haushaltsgröße sinkt, durchschnittlich leben immer weniger Personen in einem Haushalt.“ Diese Nachfrage wird dem Immobilienexperten zufolge verhindern, dass die Preise stark sinken - wie es beim Platzen einer Blase üblich wäre.

Nachfrage ist da

Das sieht auch Hagen Schröter, Geschäftsführer von der Esslinger Wohnungsbau GmbH, so: „Wir haben keine Blase. Die Grundstücke in Esslingen sind begrenzt. Das Angebot kann die Nachfrage bei Weitem nicht befriedigen.“ Für ein neugebautes, freistehendes Einfamilienhaus bezahlt man in Esslingen dem Preisspiegel (Stand Juli 2016) der hiesigen Kreissparkasse zufolge zwischen 750 000 und 1,5 Millionen Euro, in Aichwald und Baltmannsweiler sind es zwischen 480 000 und 760 000 Euro.

Doch der Immobilienprofessor Kippes warnt: „Die Preise werden nicht automatisch mittel- und langfristig weiter steigen. Es kann auch wieder einmal in der mittleren Zukunft zu Preisrückgängen kommen.“ Das würde dem Markt auch keinen „unschätzbaren Schaden“ zufügen.

„Keine spekulative Anlage“

Jürgen Schäfer, Geschäftsführer von der Immobilientochter der Volksbank Stuttgart, sagt: „Es gibt einzelne Preisübertreibungen am Markt, die allerdings nachgelassen haben.“ Schäfer zufolge sind die Preisgrenzen erreicht. „Die Menschen sind nicht mehr bereit, jeden Preis zu zahlen.“ Es wird in Stuttgart weiter Preissteigerungsraten geben, aber nicht mehr so hoch. „Je nach Stadtteil waren diese sogar zweistellig, das wird weniger werden.“ Die Mietenentwicklung halten der Kaufpreisentwicklung schon lange nicht mehr Stand. Das heißt: Die Immobilienpreise steigen zwar, die Mieten steigen allerdings nicht in dieser Höhe. Für viele Kapitalanleger seien die Angebote in Stuttgart deshalb heute schon uninteressant. „Geht man davon aus, dass die Wertentwicklung nach oben begrenzt ist, werden die Renditeperspektiven für die Anleger nicht mehr so lukrativ.“ Anders sei das allerdings noch beim Eigennutzer: „Rendite steht beim Eigennutzer nicht im Vordergrund, sondern das Wohngefühl. Das Wohlfühlen wird nicht von der Rendite gesteuert, ein Eigennutzer ist derzeit noch eher bereit, den höheren Preis zu zahlen.“

Sollte man bei diesen Preisen denn überhaupt noch an einen Immobilienkauf denken? Schäfer sagt: „Ja. Eine Immobilie ist keine spekulative Anlage, sondern eine langfristige Anlageform.“ Das müsse man beachten. Rosenberger betont: „Immobilien werden teurer, aber eben auch besser.“

Auch der Nürtinger Immobilienprofessor Stephan Kippes rät trotz weiterer Preissteigerungen nicht vom Immobilienkauf ab: „Wenn man sich die niedrigen Zinsen für einen längeren Zeitraum sichert und eine vernünftige, nicht überteuerte Immobilie findet, hat man sicher gute Karten. Ich würde aber nicht raten, um jeden Preis eine Immobilie zu kaufen.“