Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling) wollen ihren Traum leben und gemeinsam in den siebten Himmel der Liebe tanzen. Foto: Studiocanal Quelle: Unbekannt

Von Gaby Weiß

Esslingen - In der morgendlichen Rushhour auf einer Brücke, die nach Los Angeles hinabschwenkt, wartet jeder Autofahrer mehr oder weniger geduldig bei unterschiedlicher Musik aus dem Radio. Plötzlich steigt der Erste aus, beginnt zu tanzen und zu singen, bis am Ende alle gemeinsam schwungvoll Los Angeles, die Stadt der Engel, feiern - von einer schwebenden Kamera umkreist, in intensiven Farben durch den genialen Kameramann Linus Sandgren eingefangen. Mit diesem atemberaubenden Auftakt beginnt das Film-Musical „La La Land“, das heute in die deutschen Kinos kommt - und bereits jetzt Publikum und Kritiker zu Begeisterungsstürmen hinreißt: Sieben Golden Globes, acht Critics Choice Awards sowie Preise bei den Festivals in Venedig und Toronto hat „La La Land“ schon vor dem deutschen Kinostart gewonnen.

Liebe auf den dritten Blick

Mia (Emma Stone) ist eine leidenschaftliche junge Schauspielerin. Sie verehrt die alten Hollywood-Filmstars, will anspruchsvolle Rollen spielen und selbst ein Stück schreiben. Um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, jobbt sie als Barista im Café. Sebastian (Ryan Gosling) hat mit seinem Jazzclub Pleite gemacht und hangelt sich als Weihnachtslieder intonierender Barpianist und als Keyboarder mit 80er-Jahre-Pop bei Partys von Mucke zu Mucke, um sich seinen größten Traum zu erfüllen: Er möchte - als Bühne für traditionellen Jazz und Swing - einen neuen Club eröffnen. Mia und Sebastian treffen sich ganz zufällig einmal, zweimal und ein drittes Mal und verlieben sich ineinander. Beide sind Träumer, die den guten alten Zeiten nachhängen in einem Umfeld, in dem „romantisch“ häufig als Schimpfwort verwendet wird. Gemeinsam schmieden sie Pläne und genießen ihre Liebe in „La La Land“, der Stadt der Träume, wo sie im Griffith-Observatorium in den Himmel hinein tanzen. Beide leben ihre Kunst mit derselben Leidenschaft, und beide sind auf der Suche nach sich selbst.

„La La Land“ ist nur vordergründig eine simple Boy-meets-Girl-Geschichte. Unter der bunten Hochglanzschicht verbirgt sich ein klarer Blick auf die weltfremde Traumfabrik Hollywood und in die Abgründe des Showgeschäfts, in dem die Kunst gegenüber dem Kommerz immer den Kürzeren zieht. „La La Land“ ist auch eine nachdenklich machende Parabel auf das Leben und auf die Liebe. Und der Film ist in einer trefflichen Mischung aus Glück und Melancholie nicht nur eine großartige Liebesgeschichte, sondern auch eine Hommage an das Träumen: Lebe Deinen Traum, greif’ nach den Sternen, und mach’ Dir klar, was wirklich zählt im Leben.

Drehbuchautor und Regisseur Damien Chazelle, dessen Jazz-Trommler-Drama „Whiplash“ drei Oscars erhielt, ist fest davon überzeugt, dass sich Musicals großartig eignen, „um die Balance zwischen Traum und Wirklichkeit darzustellen.“ Mit der virtuosen Inszenierung von „La La Land“ bringt er frischen Wind in die von ihm verehrten Musicals der 40er- und 50er-Jahre, ohne die Tradition nostalgisch zu verklären oder ironisch zu verspotten: Mit pfiffigen Choreografien und frischen Tanzschritten bürstet er die romantischen Klischees gegen den Strich, setzt neue Farben und Akzente und strotzt vor fantasievollen Einfällen. Mit liebevollem Retro-Blick und augenzwinkernden Reminiszenzen an Filme und Musicals, mit charmanten Songs in meist jazzigem Klang und mit einem Gespür für das große Ganze ebenso wie für den kleinen berührenden Moment schafft er es, dass das klassische Musical im Hier und Jetzt ankommt.

Zum dritten Mal nach „Crazy Stupid Love“ und „Gangster Squad“ sind Emma Stone und Ryan Gosling als Liebespaar unterwegs. Beide singen und tanzen selbst, Gosling spielt nach monatelangem Klavierunterricht auch die Piano-Parts eigenhändig. Beide sind keine professionell-perfekten Sänger und Tänzer, aber in ihrer Schüchternheit und Natürlichkeit passt das einfach wunderbar zu Mia und Sebastian. Dazu gibt Oscar-Preisträger J. K. Simmons in einer Nebenrolle den gestrengen Club-Chef, und der Sänger John Legend macht in seiner ersten Schauspielrolle eine gute Figur als Sebastians Musiker-Kollege Keith. Wer es freilich schon immer seltsam fand, wenn Menschen mittendrin im Leben plötzlich anfangen zu singen und zu tanzen, der wird an keinem noch so gut gemachten Musical seine Freude haben. Alle anderen, die sehr gut gemachte musikalische Unterhaltung mögen und die noch Träume haben, werden diesen Film lieben.

Regisseur Damien Chazelle bringt das Genre des Film-Musicals mit großartigen Darstellern, einer durchdachten Geschichte, pfiffigen Choreografien, jazzigen Songs und fantasievollen Einfällen auf Vordermann.