Von Alexander Maier

Esslingen - Mit der Toleranz ist das so eine Sache: Nur die wenigsten würden sich als intolerant bezeichnen. Doch wenn sie ganz direkt mit Fremdem und Unbekanntem konfrontiert werden, reagieren manche plötzlich gar nicht mehr so tolerant. Solche Gedanken haben den französischen Regisseur Philippe de Chauveron schon lange beschäftigt. Weil er auch schwierige Themen gern mit leichter Hand anpackt, gelang ihm mit der Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ vor drei Jahren ein Kabinettstückchen. Damals war’s ein Vater, der an die Grenzen der eigenen Weltoffenheit stößt, als seine drei Töchter einen Muslim, einen Juden und einen Chinesen heiraten wollen. In seinem neuen Film „Alles unter Kontrolle!“ setzt sich der Regisseur mit den skurrilen Blüten, die die Flüchtlingskrise treiben kann, auseinander. Und wieder bewahrt er sich dabei ein Augenzwinkern, das oft eine viel erhellendere Perspektive ermöglicht.

Als Grenzpolizist muss José (Ary Abittan) abgeschobene Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückbringen. Die Menschen, ihre Geschichten und die Gründe für ihre Flucht sind ihm egal. José macht seinen Job, so lange er nichts Besseres findet, denn in Wahrheit fühlt er sich zu Höherem berufen. Da kommt ihm die Nachricht, dass die lang ersehnte Beförderung greifbar nah ist, gerade recht. Nur ein allerletztes Mal muss er noch nach Kabul fliegen, um den Flüchtling Karzaoui (Medi Sadoun) dorthin zu begleiten. José weiß, dass er sich keinen Fehler leisten darf, wenn er seine Beförderung nicht in letzter Minute noch gefährden will. Und er setzt auf seine langjährige Erfahrung - nicht ahnend, was wirklich auf ihn zukommen wird.

Wundersame Wendungen

Wie es sich für Komödien dieser Art gehört, nimmt die Geschichte natürlich eine andere Wendung. Karzaoui ist mächtig verstimmt, weil er sich von der Justiz ungerecht behandelt fühlt - seinen Ärger lässt er an José aus. Der ist verblüfft, dass Karzaoui so renitent ist. Als das Flugzeug auf Malta notlanden muss, macht sich Karzaoui aus dem Staub - dass er an einen Heizkörper angekettet ist, kümmert ihn wenig. José nimmt die Verfolgung auf und kommt dem Entflohenen auf die Spur. Doch damit ist der Fall noch nicht erledigt, denn nach allerlei Turbulenzen an Land und auf hoher See landen José und Karzaoui in einem Flüchtlingslager auf Lampedusa. Dort wird dem Polizisten klar, was es heißt, als Fremder in einer feindseligen Umgebung zu landen.

Puristen mögen beklagen, dass sich Philippe de Chauveron einem so schwierigen Thema mit den Mitteln der Komödie nähert. Und tatsächlich überdreht er manche Wendung bewusst ins Absurde. Aber Hand aufs Herz: Nicht selten ist die Realität absurder als jede Fantasie. Der Regisseur hat sich bewusst für diese Handschrift entschieden: „Ich habe bisher nur Komödien gemacht - daher war es klar, dass ich mich dem Thema humoristisch nähere. Das Thema an sich ist schon sehr schwer. Wenn man sich die Geschichte eines jeden Migranten vornimmt, der entscheidet, seine Heimat zu verlassen, ist das immer eine echte Tragödie.“ Deshalb will uns der Regisseur auch daran erinnern, dass es vielleicht gar nicht unser Verdienst ist, wenn wir in besseren Verhältnissen leben als viele, die zur Flucht gezwungen werden: „Im Moment trifft es den Nahen Osten und Afrika, früher waren es die Europäer während der Kriegszeiten. Wir alle sind zu einem gewissen Teil Migranten oder könnten es werden ... Darum ging es mir auch in diesem Film.“

Dass Philippe de Chauveron sein Anliegen nicht bierernst vorträgt, sondern mit gewohnt ironischem Unterton formuliert, macht die Geschichte noch wirkungsvoller: Mit dem Holzhammer lässt sich keiner gern belehren - Selbstironie, die einen auch an die Grenzen des eigenen Bewusstseins heranführt, ist umso wirkungsvoller. Mit Ary Abittan und Medi Sadoun setzt er auf zwei Darsteller, die schon als Monsieur Claudes Schwiegersöhne überzeugten und die auch diesmal prächtig harmonieren - als zwei total gegensätzliche Typen, die uns vor Augen führen, dass jeder ein Stück weit das Ergebnis der Verhältnisse ist, in denen er lebt.

Philippe de Chauverons neue Komödie zeigt die absurden Blüten, die die Flüchtlingskrise treiben kann. Und sie erinnert mit (manchmal etwas überdrehtem) Humor daran, dass am Ende stets der Mensch zählt - ganz egal, woher er auch kommen mag.