Nur die Ruhe: David Jordan (Jake Gyllenhaal, rechts) spricht seinem Astronauten-Kollegen Rory Adams (Ryan Reynolds) Mut zu. Foto: Sony Pictures Quelle: Unbekannt

Von Matthias von Viereck

Esslingen - Gore Verbinskis Name steht für eine der erfolgreichsten Kinoreihen: die legendären „Fluch der Karibik“-Filme. Nun beweist er mit seinem neuen Film „A Cure for Wellness“ erneut, dass er ein Händchen für Grusel-Stoffe hat. Verbinski, der auch am Drehbuch beteiligt war, nennt seinen Protagonisten schlicht Mr. Lockhart. Der ist ein ebenso hochstrebender wie ermatteter Investmentbanker. Aus einem düsteren, sämtlicher Farben beraubten New York wird er in ein sonniges Alpenparadies geschickt - es ist ein vermeintliches Paradies, wie sich im Lauf des Films herausstellen wird.

Lockhart (Dane DeHaan) soll den Chef seiner Firma zurück in die Staaten holen. Es geht um eine schwierige Fusion, da darf der Boss nicht fehlen. Dieser aber möchte (oder darf) das idyllisch gelegene Sanatorium nicht verlassen. Als Lockhart merkt, wie wenig seine Überzeugungskunst bei der Leitung der Heilanstalt fruchtet, will er abreisen. Ein Wild-Unfall hindert ihn jedoch daran. Mit eingegipstem Bein findet er sich im Sanatorium wieder. Lockhart muss erkennen, dass man auch ihn nicht so schnell entlassen wird. Dem New Yorker Jungspund dämmert, dass es den höflichen Ärzten in ihren schneeweißen Unschuldskitteln weit weniger um die Genesung der Patienten geht, als sie vorgeben.

Grusel-Klassiker lassen grüßen

Die deutsch-amerikanische Koproduktion „A Cure for Wellness“ mutet wie ein sich unentwegt drehendes Zitaten-Karussell an. Immer wieder fühlt man sich an Filme wie Scorseses „Shutter Island“ oder Kubricks „The Shining“ erinnert. Am offensichtlichsten sind aber - neben kafkaesken „Schloss“-Momenten - die Verweise auf Thomas Manns „Zauberberg“. Genau wie Hans Castorp in dem vor 93 Jahren veröffentlichten Roman wird auch Lockhart viel länger im Schweizer Sanatorium bleiben als geplant. Wie im „Zauberberg“ werden auch bei Verbinski die Toten des Sanatoriums heimlich entsorgt. Einmal gar hält ein von Godehard Giese verkörperter Klinik-Mitarbeiter eine Ausgabe des „Zauberbergs“ in der Hand.

Wahrscheinlich wird dieser eigenartige Film keinen Preis für seine Geschichte oder für sein Drehbuch bekommen. Dafür ist das, was hier passiert, zu obskur und skurril - vor allem zum Finale dieses schier nicht enden wollenden Zweieinhalbstünders hin. Und doch fesselt einen Verbinski über die gesamte Länge seines Films, was nicht zuletzt an der exquisiten Bildgestaltung durch Kameramann Bojan Bazelli liegt. In den zurückliegenden zehn Jahren gab es im Kino wohl keinen Gruselfilm mit derart elegant komponierten und ausgesuchten Bildkompositionen. Damit zeigt Verbinski, welch virtuoser Filmemacher er ist. Partiell bemerkenswert sind die schauspielerischen Leistungen, wobei vor allem das kräftezehrende und eindringliche Spiel von Dane DeHaan nachklingt. Er empfiehlt sich mit dieser Rolle als einer der interessantesten jüngeren Darsteller Hollywoods. DeHaans zwischen Arroganz und Verzweiflung changierenden, aus stahlblauen und blutunterlaufenden Augen kommenden Blick in „A Cure for Wellness“ schüttelt man so schnell nicht wieder ab.

Ein erfolgsverwöhnter US-Regisseur jongliert in einem Schweizer Sanatorium mit Thomas-Mann- und Kubrick-Motiven, während ein junger US-Schauspieler nachhaltig beeindruckt.