Von Britta Schultejans

Esslingen - Die Affäre versetzte die Welt in Aufregung und dem weltweiten Image der USA einen weiteren Schlag. Als sich der Whistleblower Edward Snowden entschloss, mit seinem Wissen über die ausufernde Überwachung durch die National Security Agency (NSA) an die Öffentlichkeit zu gehen, schrieb er Geschichte. Der oscar-prämierte Regisseur Oliver Stone setzt Snowden nun ein Denkmal. Wieder mal widmet sich der Filmemacher einem bedeutenden Kapitel jüngster US-Geschichte.

Stone erzählt die Geschichte des Menschen Edward Snowden. Und er erklärt, weshalb er sein bisheriges Leben hinter sich ließ, um sich im Jahr 2013 in einem Hotel in Hongkong mit Journalisten zu treffen und ihnen zu erzählen, was er gesehen hat. Für die Film-Vorbereitungen traf Stone Snowden in dessen Zwangs-Exil in Moskau. „Ich entschied mich dafür, zu erforschen, was in dieser Zeit im Kopf von Ed vorgegangen war“, begründete Stone seine Entscheidung, den Film zu machen, obwohl es mit „Citizenfour“ schon eine oscar-prämierte Dokumentation über Snowden und den NSA-Skandal gibt. „Warum war es gerade er, der mit Informationen an die Öffentlichkeit ging? Hat er vorher gewusst, welchen Preis er dafür bezahlen würde?“ Stones Interesse gilt dem „menschlichen Drama“. So kehrt der Film in Rückblenden immer wieder aus dem Hongkonger Luxushotel, wo Snowden (Joseph Gordon-Levitt) sich mit den Journalisten Glenn Greenwald (Zachary Quinto), Ewen MacAskill (Tom Wilkinson) und der Dokumentarfilmerin Laura Poitras (Melissa Leo) verschanzt, um ihnen seine Geschichte zu erzählen, zurück zu Schlüsselszenen aus dem Leben des jungen Mannes.

Politthriller und Liebesfilm

Zu sehen ist ein überzeugter Patriot, ein Konservativer, der aus Liebe zum Vaterland zur Armee geht und dann zur CIA, wo er als Programmierer nicht nur dem wegen unbequemer Vorschläge ausgemusterten Hank Forrester (leider viel zu selten zu sehen: Nicolas Cage), sondern auch seinem Förderer Corbin O’Brian (fast diabolisch: Rhys Ifans) auffällt. Vieles davon ist bekannt. Überraschend ist auch nicht, dass sich Stone vorbehaltlos auf Snowdens Seite stellt. Der Film, der über weite Strecken in Bayern gedreht wurde, hat viel von einer Dokumentation. Das liegt an der sachlichen Inszenierung und vor allem am Spiel von Gordon-Levitt, der den Film-Snowden beeindruckend erfolgreich an den Snowden aus der realen Welt anzulehnen versucht.

Neu ist, dass Stone die Liebe zwischen Snowden und seiner Freundin Lindsay Mills (Shailene Woodley) als wichtigen Schlüssel zu seiner Entscheidung begreift. Wenn sie Nacktfotos auf ihren Computer lädt, weiß er, dass seine Kollegen sie so sehen können. Und wenn sein CIA-Mentor O’Brian ihm überdimensional auf dem Bildschirm erscheint und ihm versichert, dass Lindsay nicht mit ihrem Fotografen-Kollegen schläft, weil er ihre Chatverläufe kennt, dann reift in Snowden die Erkenntnis, dass es nicht in Ordnung ist, was die NSA da tut. Gewissermaßen ist „Snowden“ also auch ein Liebesfilm. Vor allem ist er ein spannender Politthriller, der über weite Strecken sehr herkömmlich inszeniert ist, aber in aller Deutlichkeit die große Frage unserer Zeit stellt: Freiheit oder Sicherheit? Der Film hat dazu eine klare Meinung.

Der Fall Edward Snowden kommt ins Kino. Nach Filmen wie „Nixon“, „JFK“ und „Platoon“ widmet sich Oliver Stone, der Meister des politischen amerikanischen Kinos, wieder einmal einem bedeutenden Kapitel jüngster US-amerikanischer Geschichte.