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Von Laura Buschhaus

Leise blubbert das Sonnenblumenöl in der Pfanne vor sich hin. Es ist heiß, aber nicht zu heiß, wie Diana Wyrich mit einem fachmännischen Blick feststellt. Bei zu hoher Temperatur würden die Teigbällchen zu schwarzen, harten Klumpen verbrennen. Mit zwei Teelöffeln zupft die 48-Jährige walnussgroße Häufchen aus dem vorbereiteten Teig, formt diese wie eine Eisverkäuferin das Eis und lässt sie in die Pfanne gleiten. Dieser Anblick hat etwas sehr Entspannendes.

Backen ist Diana Wyrichs Leben. Angefangen hat die gebürtige Esslingerin zunächst mit dem Verkaufen und Anrichten von Lebensmitteln. Nach der Ausbildung als Einzelhandelskauffrau arbeitete sie in der Gaststätte der Mutter und im Supermarkt des Stiefvaters mit.

Dann geschah es: „Ich habe mich infiziert“, berichtet Diana Wyrich über den Tag, der ihr Leben veränderte. Ein Kurs zum „bodenlosen Backen“ weckte ihre Backwut. Schnell wurde die heimische Küche zu klein für ihr Temperament und ihre Ideen.

1996 war es soweit: Die junge Mutter eröffnete ihr erstes Backstudio - in ihrer Waschküche. Die Kinder waren klein, der Mann tagsüber auf der Arbeit, und die damals 27-Jährige nutzte jede freie Minute zum Backen.

In ihrer kleinen, hellen Küche in Altbach riecht es beim Besuch wie in einer Zuckerbäckerei. Der Duft breitet sich ein paar Minuten später auch im Treppenhaus des schmucklosen Mehrfamilienhauses aus und gibt ihm eine gemütliche Atmosphäre. Die Faschingsküchle sind hellbraun, wie kleine fransige Monster schwimmen sie im Öl. Auf die heimische Küche ist Diana Wyrich schon lange nicht mehr angewiesen. Seit 20 Jahren hat sie einen eigenen Laden, seit vier Jahren berät sie die Kunden in „Diana’s Backstübchen“ in Plochingen. Auf 140 Quadratmetern verkauft sie Backzubehör von der Dekoration für eine Piratentorte bis zu hohen Etageren, auf denen Hochzeitspaare ihre Torten aufschichten können. „Jeder kann backen, wenn er nur ein gutes Rezept kennt“, erklärt sie. Damit das auch jeder erkennt, gibt sie regelmäßig Kurse. Dort lernen Teilnehmerinnen eines Junggesellinnenabschieds, wie man Cupcakes verziert und Teenager bereiten salziges Knabberzeug zu.

Da es mit sehr vielen Auflagen verbunden ist, Backwaren in einem Geschäft zu verkaufen, bereitet Diana Wyrich sie nur auf Bestellung zu. Damit das Ergebnis gut wird, stellt sie gewisse Ansprüche an ihre Kunden. „Wenn jemand eine Torte bestellt, merke ich schnell, ob die Chemie stimmt. Wenn nicht, lehne ich den Auftrag ab. Wenn ich mich mit den Kunden nicht verstehe, kann ich nicht kreativ sein. Dann wird das Backen zur Qual.“ Was bei Diana Wyrichs kreativem Rausch entstehen kann, können potentielle Kunden auf Fotos bestaunen: Mehrstöckige Hochzeitstorten mit täuschend echt aussehenden Rosen, Hello-Kitty-Kuchen mit Katzenfiguren oder Leckereien mit VfB-Logo. Wer es wünscht, kann zu ihrem (oder seinem) 18. Geburtstag auch eine rosa Torte in Penisform bestellen.

Der Verkaufsschlager in „Diana’s Backstübchen“ sind zur Zeit Cupcakes. Von diesen kleinen Kuchen mit Cremehaube hat sie 20 Varianten im Angebot, von Himbeer-Sahne bis Stracciatella. Vor kurzem hat ein Unternehmen 3200 von den kleinen Törtchen bestellt. Für die Bäckerin kein Problem. Sie trommelte Mitarbeiter und Freunde zusammen. Nach drei Tagen mit wenig Schlaf war die Mammutportion fertig. Diana Wyrichs Augen leuchten, wenn sie davon erzählt.

Wenn sie Fasnetsküchle backt, muss sie immer an die Zeit denken, als ihre beiden Kinder klein waren. Für sie und ihre Freunde organisierte die Altbacherin Faschingspartys in ihrem Wohnzimmer, mit viel Dekoration, Konfetti und natürlich einem riesigen Küchlebuffet. „Ich habe es immer geliebt, wenn Leben in der Bude war“, erzählt Diana Wyrich, die jetzt alleine lebt. Musikalisch begleitete die ehemalige Guggenmusikerin die Fasnet mit ihrer Trompete.

Jetzt fischt sie die fertigen Küchle aus der Pfanne und legt sie auf ein Küchentuch zum Abtropfen. Viele von ihren Rezepten hat sie selbst entwickelt. Von dem einen Rezept nimmt sie den Boden, von dem anderen die Quarkmasse, von dem dritten die Dekoration.

Auch wenn ihr Partner sie manchmal „Muffin“ nennt, vergleicht sie sich selbst eher mit einem Wackelclown. Diesem Spielzeug in Kegelform, das immer wieder in die Vertikale schwingt, wenn man es umschubst. Oder wie sie es ausdrückt: „Grieg i oins an’d Goscha, komm i wieder zrick.“ Leicht war Diana Wyrichs Leben selten, von einer schwierigen Kindheit über eine Fehlgeburt und eine schwere Krankheit bis hin zur Scheidung von ihrem Ehemann war so ziemlich alles dabei. Gut, wenn man wie sie ein Allheilmittel hat, wie man das alles verarbeiten kann: Backen. Und wer Diana Wyrich beobachtet, wie sie sorgfältig Zucker auf jedes einzelne Fasnetsküchle streut und danach kleine Chinesen, Piraten und Clowns aus Papier darauf steckt, der wird den Gedanken nicht los, dass sich hier jemand eine Welt geschaffen hat, die wie ein Kokon schützt, wenn es draußen wieder mal zu krass wird.

Wyrichs Fasnetsküchle:

Zutaten: 250g Quark, 250g Mehl, 125g Zucker, 2 Eier, 2 Esslöffel Milch, ½ Teelöffel Natron, 1l Sonnenblumenöl zum Ausbacken

Zubereitung: Zutaten zu einem Teig verrühren und mit zwei Teelöffeln in das siedende Fett streichen. Regelmäßig wenden. Wenn die Küchle hellbraun sind, mit einer Schöpfkelle aus der Pfanne holen.

Geschichte der Fasnetsküchle

In der hiesigen Region werden an Fasnet vor allem die schwäbischen Fasnetsküchle (ohne Füllung) oder die Berliner gegessen. Traditionell sind sie aus süßem Hefeteig. Je nach Region hat das Fettgebäck verschiedene Namen, wie in Aachen Puffel und in Mittelhessen Fieze. Aber auch in anderen Ländern sind die Krapfen beliebt. So heißen sie in Belgien Boules de Berlin und in Slowenien Trojanski Krof. Sie gehen jedoch alle auf dieselbe Tradition zurück: Im späten Mittelalter galten sehr strenge Fastenregeln und so durften die Menschen am Schmutzigen Donnerstag zum letzten Mal vor der Fastenzeit schlachten. Damit das Fett nicht verdarb, buken die Menschen daraus Fasnetsküchle und Fettgebäck. Dieses heiße Fett wird auf Alemannisch Schmotz genannt. Daher auch der Name „Schmotziger Dunschtig“.

Adresse Diana's Backstübchen:

Esslinger Str. 64, 73207 Plochingen