Von Detlef Drewes

Das Europäische Parlament hat eine Chance vertan. Der neu gewählte Präsident sollte nach dem Wunsch der Fraktionen kein zweiter Martin Schulz sein, also kein starker, unbequemer, auch eigensinniger Präsident, der sich nicht scheute, Stellung zu beziehen - ob die verbale Attacke nun die Verantwortlichen für die inhumane Politik in der Türkei traf oder den offensichtlichen Unsinn geißelte, den die kommende amerikanische Führung über Europa verbreitet. In dieser Phase einen Mann an die Spitze dieser europäischen Volkskammer zu wählen, der schon vorab ankündigte, seine Stimme wieder zu senken, schwächt das Ansehen dieses Hauses. Einen kaum hörbaren Schönredner kann die EU in Zeiten von Brexit, von amerikanischen Supermacht-Träumen oder lauter werdenden Widersachern in Polen, Ungarn oder der Slowakei nicht brauchen. Doch die Fraktionschefs waren schlicht geblendet von der Frage, wie sie den Mann auf dem Chefsessel so entmachten, dass sie selbst wieder als politische Führungsfiguren wahrgenommen werden. Das ist schon bei dieser Wahl misslungen, die miserabel vorbereitet und durchgezogen wurde. Zumindest das Parlament ist zur Philosophie der schwachen Persönlichkeiten zurückgekehrt.