Von Andreas Herholz

Helmut Kohl wusste, wovon er sprach: „Wahlkampf ist ein Marathonlauf. Es kommt nicht darauf an, wer auf den ersten Metern vorn liegt, sondern, wer am Schluss gewinnt“, lautete der Rat des Rekordkanzlers und früheren CDU-Chefs an politische Weggefährten. Angela Merkel hält es hier mit ihrem politischen Ziehvater. Ruhe bewahren, wichtig ist, was hinten rauskommt.

Bis zur Bundestagswahl am 24. September ist noch ein halbes Jahr Zeit. Mag die Euphorie über den Rückzug des ungeliebten Parteichefs Sigmar Gabriel und die Kür von Martin Schulz zum neuen SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten den Genossen auch Flügel verleihen, so sind sechs Monate in der Politik mitunter eine lange Zeit. Immerhin: Der neue Hoffnungsträger hat es in Rekordzeit geschafft, seine Partei zu begeistern, sie aus der Depression zu befreien und ihr den Glauben an den Erfolg zurückzugeben. Das ist für einen Wahlkampf schon die halbe Miete und sorgt dafür, dass die Nervosität in den Reihen der Union wächst. Welches Rezept hilft gegen Schulz? Darüber gehen die Meinungen in der Union auseinander. Ruhe bewahren und Weiter so oder Attacke und offene Konfrontation? Schon wird der Ruf nach einem Kurswechsel, einem Rechtsruck der Union laut. Doch Wahlen gewinnt man vor allem in der Mitte.

Wenn Angela Merkel jetzt plötzlich umschwenken würde, drohte ihr ein Glaubwürdigkeitsverlust, und sie würde Wählergruppen an Schulz und die SPD verlieren. Ein einfaches „Sie kennen mich“ und ein „Weiter so“ wird diesmal nach zwölf Jahren Merkel allerdings kaum reichen. Wenn es der Kanzlerin bei ihrem Wahlkampfmarathon nicht gelingt, sich selbst und damit auch andere zu begeistern, wird sie ihr Ziel am Ende kaum erreichen.