Von Tobias Schmidt

Frank-Walter Steinmeier ist neuer Bundespräsident, hat das Amt von Joachim Gauck übernommen. Er ist der richtige Mann für diese unruhige Zeit, heißt es immer wieder. Aber wird er die Erwartungen erfüllen können? Hoffnung, Zuversicht, Mut sind die Leitmotive, die sich der Ex-Außenminister für seine Amtszeit gesetzt hat. Mut, das wird auch heißen, die Politik der Regierung in den Blick zu nehmen und zu brennenden Fragen der Zeit selbstbewusst Stellung zu beziehen. Gauck, der protestantische Pfarrer aus der DDR, hat mehrfach verstanden, Akzente zu setzen und Debatten anzustoßen. Er gehörte früh zu den Mahnern, die in der Flüchtlingskrise auf die begrenzte Aufnahmekraft hinwiesen. Er gehörte zu den wenigen, die dem türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdogan immer wieder die Stirn boten. Und Gauck war es, der die Regierung aufforderte, außen- und sicherheitspolitisch ihrer gewachsenen Verantwortung in der Welt gerecht zu werden.

Anders als Gauck ist Steinmeier engstens mit dem politischen Betrieb verbunden. Als Bundesaußenminister glänzte er auch deswegen, weil er es meisterlich verstanden hat, niemandem auf die Füße zu treten. Klare Kante gegenüber Russland? Scharfe Worte gegenüber Ankara? Man darf gespannt sein, ob der freundliche Herr Steinmeier die Freiheit, die sein neues Amt bietet, zu nutzen weiß, um Anregungen und Orientierung zu geben und den Finger in Wunden zu legen. Allgemeinplätze und geschliffene Worte werden nicht ausreichen, um ein großer Bundespräsident zu werden.