Von Rasmus Buchsteiner

Wie falsch Ermittler und Sicherheitsexperten nur lagen. „Nach aktueller Erkenntnislage ist ein schädigendes Ereignis in der Zukunft eher unwahrscheinlich“, urteilten sie im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern immer wieder. Der jetzt vorgelegte Regierungsbericht dokumentiert staatliche Fehler und Versäumnisse im Fall Anis Amri. Ein Dokument, das fassungslos macht und grundlegende Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Sicherheitsapparats weckt. Es beweist, dass der verheerende Anschlag hätte verhindert werden können, und legt offen, woran es mangelte: an Kooperation und echtem Austausch zwischen den Behörden. Dem dreisten Spiel des Tunesiers mit Mehrfach-Identitäten, Aliasnamen, immer neuen Asylanträgen und wechselnden Adressen hatte der deutsche Sicherheitsföderalismus kaum etwas entgegenzusetzen. Amri konnte schalten und walten, wie er wollte, mit Anschlagsplänen prahlen und sich in der Radikal-Islamisten-Szene frei bewegen. Es bleibt ein Rätsel, warum dieser Mann nicht länger in Abschiebehaft genommen worden ist. Jedenfalls lag nach heutigen Erkenntnissen genug gegen ihn vor.

Auch die tunesische Regierung hatte bereits im Oktober 2016, sehr viel früher als bislang bekannt, eingeräumt, dass es sich um einen Landsmann handelt. Dennoch wurde die Abschiebung nicht forciert. Der Regierungsbericht lässt viele Fragen offen - vor allem klärt er nicht bis ins Detail, was in Nordrhein-Westfalen alles schiefgelaufen ist, sei es beim Landeskriminalamt und bei der Ausländerbehörde in Kleve. Die Aufarbeitung des Falls ist erst am Anfang. Nur die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, dessen Arbeit von unabhängigen Sondermittlern unterstützt werden könnte, gewährleistet, dass sie konsequent zu Ende geführt wird.