Von Tobias Schmidt

Geschickt platziert die Entwicklungsorganisation Oxfam ihre jüngste Studie über die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich vor der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos: Die acht reichsten Männer besitzen inzwischen so viel Geld wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, immerhin 3,6 Milliarden Menschen. Der Befund soll die Reichen und Mächtigen aufrütteln, die sich von heute an in den Schweizer Alpen treffen, um über „verantwortungsbewusste Führung“ zu diskutieren. Doch sind die Zahlen von Oxfam selbst nicht unumstritten.

Als arm gelten beispielsweise US-Studenten, die sich für ihr Studium verschulden, später aber voraussichtlich viel Geld verdienen werden. Auch ein Drittel der Europäer gehört laut Oxfam zur ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung, weil die im Vergleich fast zum gesamten Rest der Welt üppigen Rentenansprüche und Sozialleistungen nicht zum individuellen Vermögen hinzugezählt werden. Unberücksichtigt bleibt nicht zuletzt, dass einige der Mega-Verdiener von Microsoft-Gründer Bill Gates bis zu Facebook-Chef Mark Zuckerberg mit ihrem Vermögen viel Gutes tun. Insofern trägt Oxfam dazu bei, Stimmung zu machen, auch wenn das einem hehren Zweck dienen soll: der wachsenden Ungleichheit Einhalt zu gebieten.

Dass ein Auseinanderklaffen der Schere sozialen Sprengstoff birgt, ist in Europa weitgehend Konsens. Ebenso wichtig wie soziale Sicherungssysteme sind dafür Arbeitsplätze, Aufstiegschancen und ein System, in dem Leistung belohnt und nicht nur umverteilt wird. Es geht um die richtige Balance. Paradoxerweise ist in den USA - wo die Kluft zwischen oben und unten deutlich größer ist als hierzulande, ein Präsident gewählt worden, in den die Abgehängten Hoffnung setzen, dessen Politik aber vor allem die Reichen im Blick hat, soziale Errungenschaften der Obama-Regierung zurückdrehen will.