Von Tobias Schmidt

Für die Razzien war es höchste Zeit. Erst Monate nach den ersten konkreten Hinweisen haben die Sicherheitsbehörden zugegriffen und in Wohnungen von vier Imamen des türkischen Moscheeverbandes Ditib nach Hinweisen auf die Denunzierung von Gegnern des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gesucht. Die Spitzel-Affäre ist für den aus Ankara gesteuerten Verband ein Debakel. Bei Ditib sind 900 türkisch-islamische Vereine in Deutschland organisiert. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen und zahlreiche Imame Material über Gülen-Anhänger zusammengetragen und an Ankara weitergereicht haben, entsteht der Generalverdacht, Ditib sei der verlängerte Arm von Erdogans Partei AKP. Die Darstellung der Ditib-Spitze, bei den Denunziationen habe es sich um vereinzelte Pannen gehandelt, macht deutlich, dass der Verband die Tragweite unterschätzt. Der Verband muss sich klar als Religionsgemeinschaft definieren und sich gegen politische Einflussnahme zur Wehr setzen. Das kann nur gelingen, wenn die Ditib-Imame hierzulande ausgebildet werden und nicht wie Missionare aus der Türkei entsandt werden. Beim Umgang mit Ditib müssen Bund und Länder mit Fingerspitzengefühl vorgehen. Der Verband gehört zu den wenigen gemäßigten islamischen Organisationen in Deutschland und hat viele Reformer in den Reihen. Eine Einschränkung der Zusammenarbeit würde sie schwächen und wäre ein willkommener Vorwand für die radikalen Kräfte, sich als Opfer einer Islamfeindlichkeit darzustellen.