28.9.2016 Zwei Tote bei Unfall bei Welzheim

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Welzheim – Acht Leute, ein Kleinwagen, zwei Tote: Der Besuch des Cannstatter Volksfests hat gestern Nacht für eine Gruppe junger Männer und Frauen aus dem Rems-Murr-Kreis ein tragisches Ende genommen. Die 17- und 18-Jährigen hatten sich auf dem Heimweg in einen VW Polo gequetscht. Dessen 18-jährige Fahrerin verlor auf der Landesstraße 1150 bei Welzheim die Kontrolle über den Kleinwagen, das Auto überschlug sich mehrfach. Zwei 18-Jährige starben, drei weitere Mitfahrer verletzten sich schwer, drei sind leicht verletzt. Alle sechs Verletzten befinden sich weiterhin im Krankenhaus . Ihr ist Zustand stabil, berichtet die Polizei am Donnerstag. Ein Gutachten zum Unfallhergang kann bis zu Monaten dauern.

Von Patrick Kuolt
Die acht Wasenbesucher waren offenbar zunächst mit zwei Autos von Stuttgart nach Welzheim gefahren. Wie die Polizei berichtet, stiegen sie dort gegen 1.15 Uhr zusammen in den Polo und machten sich über die Landesstraße 1150 auf den Weg in Richtung Kaisersbach. Zwei Personen saßen im Kofferraum des Kleinwagens, weitere fünf Mitfahrer der Autolenkerin verteilten sich im vorderen Teil des Fahrzeugs.
„Wir können zum Unfallhergang und den Begleitumständen momentan nur Mutmaßungen anstellen“, sagt Holger Bienert, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen. Er ergänzt aber: „Vermutlich wollte die 18-jährige Fahrerin des Wagens ihre sieben Freunde in die umliegenden Orte nach Hause fahren. Es ist außerdem davon auszugehen, dass sie mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war und gleichzeitig von ihren Mitfahrern abgelenkt wurde.“

Fahrerin war offenbar nüchtern

Die Fahranfängerin, die laut Polizeiangaben nüchtern war, verlor nach den bisherigen Erkenntnissen nach vier Minuten Fahrt gegen 1.19 Uhr kurz nach dem Ortsausgang von Seiboldsweiler die Kontrolle über ihr Fahrzeug, kam nach links von der Fahrbahn ab und schanzte vor einem Acker über eine Kuppe. Daraufhin überschlug sich das Auto mehrfach und blieb in einem Maisfeld auf dem Dach liegen.
Ein 18-Jähriger, der dabei aus dem Wagen geschleudert wurde, verstarb noch an der Unfallstelle. Ein weiterer 18-Jähriger, der offenbar teilweise aus dem Polo hing, erlag ebenfalls noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Ein 17-Jähriger, ein weiterer 18-Jähriger und eine 18-jährige Mitfahrerin zogen sich schwere Verletzungen zu. Die Fahrerin selbst sowie eine ebenfalls 18-Jährige und ein junger Mann gleichen Alters zogen sich leichte Verletzungen zu.
Alle Beteiligten wurden zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. Der Rettungsdienst war mit sechs Rettungswagen- und zwei Notarztwagenbesatzungen sowie einem weiteren Notarzt im Einsatz. Die Welzheimer Feuerwehr rückte mit sechs Fahrzeugen und 26 Einsatzkräften zu dem Unfall aus. An dem Polo entstand Totalschaden von 5000 Euro.
Weitere Einzelheiten zum Unfallhergang soll ein von der Staatsanwaltschaft Stuttgart beauftragter Gutachter ermitteln. „Normalerweise dauert es allerdings sechs bis acht Wochen, ehe ein solcher Vorgang abgeschlossen ist“, erklärt Melanie Rischke, stellvertretende Pressesprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Rischke bestätigt zudem, dass die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen die 18-jährige Fahrerin eingeleitet hat: „Das ist ein normaler Vorgang, weil zwei Personen ums Leben gekommen sind. Allerdings ist völlig offen, ob sich daraus überhaupt etwas entwickelt.“ Dazu müssen zunächst alle Mitfahrer zum Unfallhergang befragt werden. „Da die Betroffenen jedoch noch immer unter Schock stehen, war noch keine intensive Vernehmung möglich“, sagt Polizeipressesprecher Bienert.
Die Fragen sind allerdings offensichtlich: Wieso war die Gruppe aus fünf Männern und drei Frauen den Erkenntnissen zufolge zunächst mit zwei Autos unterwegs? Warum stiegen die acht jungen Leute erst in Welzheim, etwa 30 Fahrminuten vom Wasen-Gelände in Stuttgart entfernt, alle in ein Fahrzeug?
Junge Fahrer im Alter bis 24 Jahren verursachen statisch gesehen die meisten Unfälle. Verkehrspsychologin Andrea Häußler vom TÜV Süd erklärte gegenüber der dpa, dass auch die Gruppendynamik eine große Rolle spielt. „Oft kommt es zu Unfällen, wenn die Beteiligten in Feierstimmung waren.“ Der Spaßmodus sei eingeschaltet „und die Sicherheit wird hinten angestellt.“ Das sehe man auch an der Tatsache, dass die jungen Leute bereit waren, sich zu acht ins Auto zu setzen. „Eine therapeutische Unterstützung ist jetzt enorm wichtig“, meint die Psychologin.

Junge Fahrer auf den Straßen besonders gefährdet

Fußgängerzonen, Helm- und Gurtpflicht, Airbags sowie jede Menge Assistenzsysteme – Straßen und Autos in Deutschland werden seit Jahrzehnten immer sicherer. Mit Erfolg: Denn die Zahl der Unfälle mit tödlichen Folgen ist mittlerweile rapide zurückgegangen, um fast 84 Prozent. Starben 1970 noch mehr als 21 300 Menschen auf deutschen Straßen, waren es im Vorjahr 3459 – nach dem bisherigen Minimum von 3339 im Jahr 2013. Konkret: Das Risiko eines tödlichen Verkehrsunfalls war laut Statistischem Bundesamt vor 45 Jahren 16 Mal höher – gemessen an der heute weit größeren Zahl an Fahrzeugen.
Die mit Abstand am meisten gefährdete Altersgruppe sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes weiterhin junge Erwachsene. Jedes siebte Todesopfer und jeder sechste Verletzte war im vergangenen Jahr zwischen 18 und 24 Jahre alt. Die häufigste Ursache war Raserei, zu geringer Abstand zum Vordermann folgte gleich darauf. Besonders junge Männer neigen zu Selbstüberschätzung und überhöhtem Risiko.
Experten warnen, dass die Fahrschulzeit allein trotz hoher Standards nicht ausreiche, um junge Menschen hinreichend auf die komplexen Vorgänge im Straßenverkehr vorzubereiten. Sie fordern unter anderem eine bessere Vorbereitung schon in der Schule.(dpa)